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Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns

Titel: Vom Wispern der Waelder und vom Wesen des Wanderns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Luehrs
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vergehen. Einsetzende Müdigkeit und ein brennender rechter Fuß lenken meine Aufmerksamkeit wieder auf mich und meine Zipperlein. Ich brauche eine Pause, und so hocken wir uns an einem Feld auf den Rand einer Silageanlage und gönnen unseren geschwollenen Füßen frische Luft und Abkühlung. Ein Bauer kurvt mit seinem Traktor über den Acker und spritzt das junge Grün. Irgendwann hat er uns entdeckt und kommt mit seinem Trecker herüber, stellt den Motor ab und fragt neugierig, wohin wir wollten, und mit Blick auf unsere Füße, ob alles okay sei.
    Er bewundert unser Unternehmen, und dann klagt er über die viele Arbeit, die ihn nicht zur Ruhe kommen lässt.
    Bald jeden Tag sei er jetzt ab sieben Uhr in der Früh zugange, und vor neun Uhr abends gebe es keinen Feierabend: häckseln, Silos füllen, mähen, die Äcker spritzen, Holz machen, reparieren usw. usw. Er sei froh, dass morgen Sonntag sei, aber in die Wirtschaft gehe er nicht. Andererseits halte ihn die Arbeit auf Trab, man komme nicht ins Grübeln, und man langweile sich nicht.
    So scheint er doch ganz zufrieden zu sein, auf jeden Fall schaut er freundlich aus – ein netter Bayer mit Ausstrahlung, wahrscheinlich eine einmalige Spontanmutation.
    Zum Abschied wünscht er uns viel Glück und vor allem Gesundheit. Die kann ich gut gebrauchen, denn meine rechte Ferse pocht wieder gewaltig und fühlt sich nicht gut an.
    In Pilsach finden wir endlich am Spätnachmittag ein Café. Eine unglaublich geschwätzige Kellnerin bedient uns, redet und redet dabei im tiefsten Dialekt, serviert Kuchen, den wir gar nicht bestellt haben, und schafft es mit ihrem bayerischen Charme, dass wir sie und den Kuchen mögen. Martin scherzt mit ihr, während ich mich meiner Müdigkeit hingebe. Ein halbes Stündchen dösen – jetzt hier, gleich unterm Tisch –, danach ist mir.
    Später kommt das Gespräch auf die Übernachtungsmöglichkeiten hier in der Region, und sie gibt uns einen Tipp für ein Hotel oberhalb von Neumarkt. Angesichts der schlechten Erfahrungen in Altdorf schlage ich vor zu telefonieren. Das ist Martins Job. Er ist der Logistiker und ich der Navigator. Und schwupp, hat er uns zwei Zimmer für jeweils 25 Euro mit Frühstück in eben jenem Gasthof organisiert – perfekt!
    Als wir aufbrechen und uns verabschieden, überschüttet die Kellnerin uns mit Freundlichkeiten, insbesondere aber meinen Wanderbruder, dessen Charme und Einfühlsamkeit sie lobpreist, als wenn der heilige Augustinus und George Clooney in einer Person vor ihr stünden. Donnerwetter, da ist aber jemand leicht zu begeistern, oder habe ich diese Charakterzüge bisher übersehen?
    Ich navigiere uns wieder zurück auf unseren Treck, und wir schreiten munter aus dem Ort heraus.
    „Männer, wünsch’ euch einen guten Weg. Ist aber selten, dass ihn jemand so rum geht!“, ruft uns jemand hinterher.
    Wie, so rum geht? Welchen Weg denn, was meint der eigentlich!?
    Verunsichert dreh’ ich mich um.
    „Meinen Sie uns?“
    „Ja!“
    „Wir wollen nach Schafhof zum Sammüller.“
    „Da seid ihr aber schon drüber hinaus!“
    „Wieso drüber hinaus, da wollen wir hin. Der Gasthof liegt doch auf diesem Weg!“
    „Ja, aber ihr seid dran vorbei – muss ein, zwei Stunden her sein!“
    „Das kann doch gar nicht sein, wir haben doch gerade im Café mit jemandem darüber gesprochen. Außerdem habe ich hier ein Navigationsgerät. Ich zeig’ Ihnen mal unsere Karte.“
    „Doa seid S’, doa!“
    „Wo?“
    „Na doa!“ Er stippt aufgeregt mit dem Finger auf den blinkenden Pfeil.
    Ach du Scheiße, jetzt sehe ich es. Wir gehen ja in die völlig falsche Richtung. Wir laufen zurück nach Norden. Meine Güte, wer weiß, wann wir das gemerkt hätten. Trotz Navi kann so was passieren. Das liegt an der Trägheit des Systems. Nach einem Stopp braucht es immer einen Moment, um die Karte einzunorden, und wenn man nicht aufpasst, läuft man eben in die falsche Richtung. Dem Mann sei Dank, er hat uns vor ’ner Menge Ungemach bewahrt.
    Durch ein herrliches Tal wandern wir dem Abend entgegen. Der Sommer hält an und treibt die Menschen aus ihren Häusern. In dem kleinen Dorf Labersricht ist mal richtig was los. Männer waschen ihre Autos, sägen Holz, fräsen Platten für eine Auffahrt oder schießen mit der Hochdruckkanone das Unkraut aus den Ritzen und Spalten der gepflasterten Zufahrten zu ihren Häusern. Die Frauen aber bücken sich und zupfen im Garten Unkraut oder pflücken frische Blättle für den Salat. Auf der

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