Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen die die Welt veränderten
welches einzubringen. Die Familie war so arm, dass Goodyear, einer weiteren Legende zufolge, sogar die Schulbücher seiner Kinder versetzte, um Chemikalien kaufen zu können.
Als er die Masse nach einiger Zweit wieder aus dem Ofen nahm, hatte sich der Kautschuk in etwas Neues verwandelt: in Gummi. Der war deutlich elastischer und behielt diese Eigenschaft in der Hitze wie in der Kälte, wurde weder weich noch spröde, die Widerstandsfähigkeit gegenüber chemischen Agentien hatte bedeutend zugenommen. Was macht der Schwefel mit dem Kautschuk? Er knackt die Doppelbindungen in den Ketten auf, hängt sich dazwischen und bindet so die Ketten quer aneinander.
Das S in der Formel ist natürlich der Schwefel, der in seiner Naturform einen Ring aus acht Atomen bildet (rechts oben im Formelbild). Der Schwefelgehalt schwankt zwischen 2 Prozent bei Weich- und 30 Prozent bei Hartgummi.
Charles Goodyear war ein Pechvogel. Er ließ sein Verfahren erst 1844 patentieren, also fünf Jahre nach der Entdeckung, da waren ihm andere schon zuvorgekommen, was lange Patentstreitigkeiten nach sich zog. Wenigstens konnte er seine Produkte auf der Weltausstellung 1851 in London präsentieren und erhielt in Frankreich das Kreuz der Ehrenlegion. Geschäftlich hatte er keinen Erfolg, sondern hinterließ bei seinem Tod 200000 Dollar Schulden. Und die gleichnamige Reifenfirma? Die hatte mit ihm nichts zu tun, wurde erst lang nach seinem Tod gegründet und heißt nur ihm zu Ehren so, ein in der Industriegeschichte wohl einmaliger Vorgang.
Im Verlauf des 19. Jahrhunderts eroberte der vulkanisierte Kautschuk immer mehr Anwendungsbereiche. Zahlreiche Gegenstände des täglichen Bedarfs wurden daraus hergestellt, aber auch Artikel für die Industrie wie Platten, Rohre und Schläuche. Gummi war das, was für uns Heutige Plastik in seinen Spielarten ist. Einen richtigen Boom erlebte das Material aber erst gegen Ende des Jahrhunderts, als der schottische Arzt Dunlop den luftgefüllten Gummireifen für das Fahrrad erfand. Brasilien sah den fantastischen Aufstieg seiner Urwaldstädte wie Manaus, in der sich die Kautschukbarone niederließen und die Stadt mit den Annehmlichkeiten der europäischen Zivilisation ausstatteten: Theater, Oper, Straßenbahn, elektrische Beleuchtung. Zwischen 1830 und 1880 steigt die Jahresproduktion von brasilianischem Kautschuk um den Faktor fünftausend auf 15000 Tonnen an. Es war bei Todesstrafe verboten, die Samen des Kautschukbaumes auszuführen. Dem Briten Henry Wickham gelang allerdings der Export von 70000 Stück, die er als Orchideensamen deklariert hatte, nach England, wo man in den Kew Gardens daraus Kautschukpflanzen zog und diese nach Malaysia exportierte. Innerhalb von zwanzig Jahren konnten die dortigen Plantagen 90 Prozent des Weltbedarfs an Kautschuk decken, mit dem brasilianischen Kautschukboom war es zu Ende.
Heute beträgt die Weltproduktion an Naturkautschuk 7,6 Millionen Tonnen, das meiste davon kommt aus Südostasien. Zwei Drittel der Produktion stammt heute von Kleinpflanzern mit unter 40 Hektar Fläche, der Rest aus Großplantagen. Hevea brasiliensis braucht das ganze Jahr über 27 bis 30 Grad und etwa 2000 Millimeter Regen pro Jahr.
Sechs Jahre nach der Anpflanzung kann man die Bäume das erste Mal zapfen, bis zu dreißig Jahre lang. Ein Baum gibt bis zu fünf Kilo Kautschuk – pro Jahr! Das sind zweitausend Kilo pro Hektar. Das Zapfen ist reine Handarbeit, man setzt einen schräg nach unten verlaufenden Schnitt, der aber nicht bis zum Kambium gehen darf, der Schicht mit den lebensnotwendigen Gefäßen der Pflanze; die kautschukführenden Röhren liegen weiter oben in der Rinde. Der Baum »weint« nun zwei bis vier Stunden, rund hundert Milliliter Milchsaft, der etwa ein Drittel Kautschuk enthält, rinnen in einen Becher. Die Becher werden jeden Tag eingesammelt, auf dem Schnitt bildet sich eine dünne Kautschukhaut, die vor dem nächsten Zapfvorgang abgezogen wird; das geschieht alle zwei Tage. Je nach Breitengrad gibt es zwischen Dezember und Februar eine »wintering season«, die Bäume werfen ihre Blätter zum Teil ab, das Zapfen wird für sechs Wochen eingestellt.
Was macht man aus Naturkautschuk? Hier dürfen Sie einsetzen, was immer Ihre Fantasie mit dem Ausdruck »Gummi« in Verbindung bringt, Matratzen, Dichtungen … und ja, Kondome natürlich auch. Das ist erwartbar.
Aber 60 bis 70 Prozent des Naturkautschuks gehen wegen seiner guten Eigenschaften in Autoreifen! Das Verhältnis von
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