Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
erste Mal in einer solchen Bar, aber die Illustrierte zahlt ihm ja die Spesen.
Er bestellt sich einen Whisky. An seinem Tisch sitzen drei Geschäftsleute, unüberhörbar aus Frankfurt. Er zuckt zusammen, der Name Nedomanski fällt. Sie müssen ihn gekannt haben.
Das Licht geht aus, die kleine Bühne liegt im Strahlenkegel eines Scheinwerfers. Schwüle, erotische Musik. Eine üppige Blondine erscheint im Minirock, Pulli und Stiefeln und beginnt, sich mit den branchenüblichen Verrenkungen freizumachen. Je weniger sie anhat, um so dunkler wird es. Dann kommt ein Tusch – es wird ziemlich hell und gleich darauf völlig dunkel.
Dünner Beifall. Als die matten Lampen wieder angehen, schwingt die Tür auf; der Kellner bringt ein Paar herein… Borkenhagen erstarrt.
Guido und Tina.
Er dreht sich so, daß sie ihn nicht sehen können. Dieses Schwein, denkt er. Hat ihm doch dieser blöde, vierschrötige Kerl das Mädchen weggeschnappt. Kaum ist der alte Nedomanski unter der Erde, da tritt er schon die Nachfolge an… Die drei Geschäftsleute brechen auf. Das Programm läuft weiter – zwei nicht mehr ganz taufrische Damen gebärden sich lesbisch. Guido und Tina trinken Sekt.
Zwei Mädchen setzen sich an Borkenhagens Tisch, beide Mitte Zwanzig, zumindest bei dieser Beleuchtung. Sie sind auffallend zurechtgemacht: lange schwarze Wimpern, aufregende Lidschatten, die Brüste wohl mit Silikon behandelt. Sie tragen knappe Kostüme. Die Rothaarige sieht aus wie ein Tier – eine, vor der man Angst kriegen kann. Die Schwarzhaarige sieht nett aus, ein bißchen nach Krankenschwester… Mensch, kenn ich die nicht? – Aber es fällt ihm nicht ein, woher er sie kennt.
Eine neue Darbietung: ein Pärchen markiert einen Geschlechtsakt. Die akrobatischen Stellungen amüsieren ihn, aber er ist abgelenkt durch die Schwarzhaarige. Sie hat ein bißchen Ähnlichkeit mit Sabine… Wo hat er sie bloß schon mal gesehen?
Auf der Bühne keuchen sie. Die Rothaarige sieht sich nach einem Kunden um. Ein unscheinbarer Herr setzt sich an ihren Tisch. Er sieht grau aus im Gesicht; vielleicht ist ihm die Frau weggelaufen.
Plötzlich fällt’s ihm ein: Das ist das Mädchen, mit dem Nedomanski aus der Pension gekommen ist! Er sieht sie noch beide die Treppe herunterkommen. Schlüterstraße, gleich nebenan. Dann ist Nedomanski in das Taxi gestiegen… Die Schwarzhaarige wird ihm helfen.
„Hier ist ja doll was los“, sagt er zu ihr.
Sie lächelt.
„Vielleicht sehen wir uns mal was anderes an?“
Sie nickt.
Er bezahlt ihren Gin-Fizz, dann verlassen sie die Bar. Er ist scheu, verlegen, angespannt. An der nächsten Ecke bleibt er zögernd stehen.
„Was ist?“ fragt sie.
„Ich will gar nicht…“
Ihr Gesicht verfinstert sich.
„Ich hab Sie bloß wiedererkannt!“
„Na und?“
„Sie kannten doch Max Nedomanski…?“
„Ja. Und?“
„Vielleicht können Sie mir helfen.“
„Kripo?“
„Nein, ich… Ich bin der Arzt, der Nedomanski… Dr. Hartmann. Ich habe seinen Mörder gesehen. Ich suche den Einbrecher, der…“
„Ach so. Ich weiß schon… Kommen Sie!“
Ihr Apartment ist nicht weit entfernt. Es liegt in der Etage über der Pension, die sie nicht mehr nötig hat. Sie heißt Rosemarie, Rosi. Sie war mal Sekretärin und verdient jetzt einen Haufen Geld.
„Einen besseren Job kann man sich als Nymphomanin gar nicht vorstellen“, lacht sie.
Er findet sie sympathisch. Sie kommen in ihre Wohnung. Alles todschick – wie im Film. Er ist beeindruckt und verstört.
„In drei Jahren mach ich einen Modesalon auf; dann schicken sie ihre Frauen und Töchter zu mir, und ich verdiene an der ganzen Familie.“ Sie hat ein kehliges Lachen, das er bezaubernd findet.
Er ist verkrampft. „Schade, daß Sie schon Großmutter sind, wenn ich’s mir mal leisten kann“, lacht er.
„Sie haben’s doch wirklich nicht nötig!“
„Danke!“
Sie holt zwei Flaschen Bier aus der Küche, setzt sich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf ein orientalisches Sitzkissen, blickt verträumt zu ihm herüber und erzählt dann von Nedomanski. Borkenhagen hört aufmerksam zu.
„Er war oft bei mir, mindestens jede Woche einmal. Er hatte zwar seine Sekretärin, aber die hat ihn wohl so gehaßt, daß nicht mal er Spaß dran hatte. Zu mir war er immer recht zart. Er hat sich immer eingeredet, ich wär seine Tochter – ohne diese Vorstellung ging’s bei ihm gar nicht… Pervers, was? Aber ich mochte ihn ganz gerne. Jedenfalls ist es nicht schön,
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