Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen
Fragen…“
„Es ist recht.“
„Hat Ihr Mann zufällig einen Kunsthändler gekannt?“
„Nicht daß ich wüßte.“
„Schade. Aber vielleicht gibt es in seinem Bekanntenkreis einen Mann namens Schumann?“
„Nicht daß ich wüßte.“
„Darf ich noch eine dritte Frage stellen?“
„Bitte.“
„Hat sich Ihr Mann mit Kunst beschäftigt, mit Malern, mit Gemälden?“
„Ja, gelegentlich. Im allgemeinen wohl weniger mit den Malern als mit ihren Modellen… Aber für Malerei hat er sich auch interessiert. Ich glaube, er hat auch aus diesen Kreisen damals den Tip bekommen, als unser jetziges Haus zum Verkauf stand – genau weiß ich es nicht; damals war er ja noch mit seiner ersten Frau… Jedenfalls hat das Haus einem Professor Schierbaum gehört; er hatte hier so eine Art Galerie. Er soll eine ziemlich große Sammlung besessen haben. Irgendwie hat er dann wohl bei den Nazis quergelegen – seine Sammlung haben sie beschlagnahmt, glaube ich, und er ist wohl im KZ umgekommen. Max hat dann das Haus gekauft… Soviel zum Thema Max Nedomanski und die Kunst. Um das Gerümpel, das noch aus Schierbaums Zeiten irgendwo im Keller liegt, hat er sich nie gekümmert… Sagen Sie mal, was hat denn das alles mit dem… mit dem Mord zu tun?“
„Wahrscheinlich gar nichts, gnädige Frau. Nur so – Background.“
„Ich verstehe… Sie halten mich aber auf dem laufenden, ja?“
„Gewiß, gnädige Frau. Und vielen Dank auch!“
Er legte auf. Da war also nichts zu holen gewesen. Er ging zu Tinas Hausbar hinüber und stärkte sich mit einem Whisky, mit dem Whisky, den Nedomanski übriggelassen hatte. Auf dem Nachtschrank lag eine halbvolle Schachtel NEDO-Med. Er schluckte zwei der weißen Tabletten. Wenn’s schlecht dir geht, nimm NEDO-Med … Plötzlich ging’s ihm schlecht.
„Das ist doch ein Windei, Mann!“ sagte er laut zu sich selbst. „Du spinnst doch!“ Dann suchte er das Branchentelefonbuch und begann zu blättern. Aber es gab offensichtlich in ganz Berlin niemand, der mit Bildern zu tun hatte und Schumann – oder Schuhmann, mit h – hieß. Auch bei den Antiquitätenhändlern hatte er Pech. Und im Telefonbuch standen schätzungsweise zweihundert Leute, die auf den Namen Schumann hörten; die Schuhmanns, mit h, waren etwas seltener. Hätte der alte Narr nicht auch einen Herrn Kackstein anrufen können, oder einen Herrn Bosetzke – davon gab’s bestimmt nicht so viele… Scheißspiel.
Er begann bei den Schuhmanns mit h; dann rief er einen Schumann – ohne h – nach dem anderen an, immer schön der Reihe nach. Und jedesmal leierte er den gleichen Vers herunter: Sind Sie zufällig Kunsthändler? Kennen Sie zufällig einen Herrn Max Nedomanski? Nein? Dann entschuldigen Sie bitte … Waren Frauen am Apparat, so sagte er: Sagen Sie, Frau Schumann, könnte ich vielleicht Ihren Mann sprechen? Hatte sie einen und war er zu Hause, kam der erste Vers in entsprechender Variation. Es war ein verteufelt monotones Spiel. Auf zehn mürrische Gesprächspartner kam nur ein witziger. Aber niemand war Kunstexperte oder -händler, niemand kannte Nedomanski – außer aus der Zeitung.
Nach reichlich anderthalb Stunden und dem 50. Anruf wollte er die Flinte ins Korn werfen; es war zu blöd. Aber dann zwang er sich doch, weiterzumachen.
Und er hatte Glück. Der 89. Anruf war ein Volltreffer. Es meldete sich das Vorzimmer des Kunsthändlers Henry Schumann (ohne h).
„Einen Augenblick bitte, Herr Schumann ist gerade aus Paris zurückgekommen…“
Es stellte sich heraus, daß Schumann aus irgendwelchen Gründen mit voller Absicht ohne Berufsangabe im Telefonbuch stand, daß er längere Zeit an der Seine verbracht und infolgedessen keine Ahnung von dem Mord in der Badenallee hatte. Er war schockiert.
„Max war ein guter Bekannter von mir! Immer fröhlich, immer vital – und nun das! Ich kann es noch gar nicht fassen!“
„Wann haben Sie ihn denn zuletzt gesprochen?“
„Also, das war…“ Schumann überlegte. „Kurz vor… vor dem Mord muß das gewesen sein, nach dem, was Sie mir da sagen. Er hat mich mitten in der Nacht angerufen…“
„Und? Was wollte er, mitten in der Nacht?“
Schumann lachte. „Er war angetrunken. Er hat sich einen kleinen Scherz mit mir erlaubt.“
„Wieso?“
„Er wollte, daß ich gleich mal bei ihm vorbeikäme – er hätte einen echten van Gogh im Keller stehen… Köstlich, was? Aber so war er eben. Echt Max Nedomanski!“
Borkenhagen beherrschte sich mühsam und brachte
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