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Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen

Titel: Von Beileidsbesuchen bitten wir abzusehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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zu mir gerannt.“
    Er ließ sie los und setzte sich aufs Bett. „Na schön – schließlich will ich nicht Nedomanskis Konkursvergewaltiger sein!“
    „So ist’s brav… Essen steht im Kühlschrank…“
    „Ich denke, das liegt in Nordrhein-Westfalen?“
    „… Bier auch – sag mal, du hast wohl deinen witzigen Tag heute? Na, egal; ich muß wieder los. Der Chauffeur wartet. Bis später!“ Sie rannte aus der Tür.
    Borkenhagen trat ans Fenster und sah zu, wie sie in den schwarzen Firmen-Mercedes stieg und davonfuhr. Seufzend zog er sich an, aß schnell einen Happen und rief dann die Kripo an. Aber man wußte noch nichts – die Untersuchungen im Labor seien noch nicht abgeschlossen. Dann versuchte er seinen großen Mentor zu erreichen, aber die Sekretärin in der Illustrierten-Redaktion konnte ihm lediglich versichern, daß der Herr Doktor nicht im Hause sei.
    Ein neuer Hustenanfall packte ihn – er hatte wohl doch mehr Rauch abgekriegt, als er zuerst gedacht hatte – , und als er sein Taschentuch aus der Hosentasche zog, segelte ein kleiner weißer Zettel zu Boden. Er hob ihn auf und entdeckte in seiner krakeligen Schrift den Satz: … Sie sind doch Experte, Herr Schumann; das mit dem Bild könnte doch eine große Sache werden… Er mußte das wohl in der vergangenen Nacht kurz vor dem Einschlafen gekritzelt haben. So recht konnte er sich nicht mehr daran erinnern – der Rotwein! – , aber das war ja wohl die einzige Möglichkeit, die es gab. Da er mit dem Anzug ins Bett gestiegen war, hatten Anzug und Zettel überlebt. Obwohl Tina das gute Stück zum Lüften auf den Balkon gehängt hatte, roch der Stoff noch immer ekelerregend nach verbranntem Bettzeug. Aber einen anderen Ausweg hatte er nicht – seine sämtlichen Habseligkeiten waren ja verbrannt. Seine Wäsche, seine Bücher, sein Radio – er hätte heulen können. Blieb ihm nur der Canossagang zu seinem fernen Vater.
    Er verdrängte den Gedanken erfolgreich und konzentrierte sich auf näherliegendes: auf Max Nedomanski. Er rief sich die Szene ins Bewußtsein, an die er sich bei Dreyer plötzlich wieder erinnert hatte; unklar, verschwommen zunächst. Jetzt sieht er sie wieder in allen Einzelheiten vor sich. Sie reden hin und her. Sie trinken viel, einen Weinbrand, der so mies ist, daß er sich wundert, weil er bei Nedomanski Besseres erwartet hatte. Nedomanski beginnt einen großen, ziemlich unklaren Monolog. Borkenhagen langweilt sich; er steht auf, entschuldigt sich, wobei er Schwierigkeiten mit den Konsonanten hat, und sucht die Toilette auf. Er merkt, daß er taumelt. Draußen hält er lange den Kopf unter den kalten Wasserstrahl; er fühlt sich ein wenig besser. Er geht zu dem Raum zurück, in dem sie gesessen hatten, und kommt an Nedomanskis Arbeitszimmer vorbei. Die Tür ist nur angelehnt. Nedomanski telefoniert, lallt etwas; Borkenhagen versteht nur den einen Satz: Sie sind doch Experte, Herr Schumann, das mit dem Bild könnte doch eine große Sache werden… Er widersteht dem Drang, stehenzubleiben und zuzuhören; was gehen ihn auch Nedomanskis dunkle oder halbdunkle Geschäfte an? Er setzt sich in seinen Sessel und wartet auf Nedomanski, der auch bald zurückkommt, offenbar, wenn er sich recht erinnert, ein wenig verärgert…
    Ja, so mußte es gewesen sein.
    Borkenhagen nickte unwillkürlich. Bei Dreyer gestern war dann die Erinnerung an diese Episode plötzlich wieder dagewesen – vielleicht, weil so viel von Bildern die Rede war und weil sie viel von einem ähnlich miesen Weinbrand getrunken hatten, das mochte Assoziationen ausgelöst haben.
    Wie auch immer: Dreyer hatte Bilder. Dreyer hatte mit Nedomanski zu tun. Nedomanski telefonierte mitten in der Nacht mit einem Herrn Schumann wegen eines Bildes… Bestand da ein Zusammenhang?
    Borkenhagen zögerte. Das Ganze kam ihm ziemlich unwahrscheinlich vor. Aber konnte er es sich leisten, eine mögliche Spur außer acht zu lassen? Er fand, daß die Sache einen Versuch wert sei. Er ging zu Tinas weißem Telefon und rief Maria Nedomanski an.
    „Ja, hallo…?“ Die gurrende Stimme; sie war selbst am Apparat.
    „Verzeihen Sie die Störung, gnädige Frau; hier ist Robert Borkenhagen.“
    „Was gibt es, Herr Dr. Hartmann?“ Die Stimme klang kühl, herablassend.
    Er kratzte sich am Hinterkopf und zog eine Grimasse. „Sie wissen doch, daß mich die Illustrierten-Redaktion zum Hilfssheriff gemacht hat…“
    „Ja, das weiß ich.“
    „Und ich hätte da – wenn’s recht ist – zwei

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