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Von den Sternen gekuesst

Von den Sternen gekuesst

Titel: Von den Sternen gekuesst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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einzelne Bilder das Mauerwerk. Visuell waren sie deutlich voneinander abgesetzt, weshalb es so wirkte wie die Seite eines riesigen, antiken Comicbuchs.
    In Santa Croce handelten die Szenen von Bibelstellen oder italienischen Heiligen, wobei jede einzelne Kapelle von einem anderen Künstler gestaltet worden war. An dieser Wand hatten offensichtlich verschiedene Personen mitgewirkt, die verschiedenen Stile ließen zudem auf unterschiedliche Epochen rückschließen. Die schon abblätternden und teils verblichenen Bilderfolgen im oberen Bereich der Wand zeugten davon, dass sie die ältesten waren, weshalb ich dort ansetzte. Ich las die einzelnen Bilder, wie meine Mutter es mir beigebracht hatte.
    Das erste erinnerte mich an die Szene, die ich auf der Amphore in Papys Geschäft gesehen hatte. Es zeigte zwei nackte Armeen, die gegeneinander kämpften. Die Soldaten trugen nichts als Helme, die aussahen wie aus dem antiken Griechenland. Die eine Seite wurde von einem Mann angeführt, dessen Kopf von einem rotgoldenen Heiligenschein umgeben war. Der Anführer der feindlichen Seite hatte einen Heiligenschein in einer leicht trüben Nuance frischen roten Blutes. Ein paar Personen in den Winkeln dieses Einzelbilds hielten ihre ausgestreckten Arme über Leichen oder Verletzte, als wollten sie diese heilen. Ihre Heiligenscheine waren aus Flammen zusammengesetzt, genauer gesagt aus fünf Funken, die genauso aussahen wie die stilisierten Flammen, die ich an jeder der kleinen Grabtüren gesehen hatte, wo sie von den Fingern ausgingen. Das muss das Symbol der guérisseurs sein , dachte ich.
    Das nächste Bild war wie eine typisch mittelalterliche Darstellung von Heiligen aufgebaut, die gemartert werden. Männer, gekleidet wie Geistliche mit Bischofsmützen, schauten Soldaten zu, die ihre Schwerter gegen eine Gruppe von Gefesselten richteten. Ihre Opfer waren mit Händen und Füßen an hölzerne Pfähle gebunden worden und trugen Heiligenscheine in denselben goldroten und blutroten Tönen wie im vorangegangenen Bild, andere hatten den üblichen goldgelben Glorienschein, wie man ihn von kirchlichen Abbildungen kennt. Unter dem Mann mit dem goldroten Nimbus stand »bardia«, unter dem mit dem blutroten »numa« und unter dem mit dem runden goldgelben »bayata«.
    In einiger Entfernung hinter ihnen stand ein guérisseur , erkennbar an seinem typischen Flammenkranz, vor einer Höhle, in der sich Menschen mit zwei Nimbusvarianten versteckten. Die Geschichte erklärte sich praktisch von selbst: Die Revenants und die »Bayata«, um wen auch immer es sich dabei handelte, wurden von der Kirche verfolgt und die Heiler versuchten, sie zu beschützen.
    Die Revenants mussten in ihrer Geschichte ganz offensichtlich ähnlich viel durchmachen wie die Menschen, ohne dass wir uns dessen bewusst waren. Ehrfürchtig stand ich dort, völlig überwältigt davon, was das bedeutete. Übernatürliche Wesen hatten uns von Anfang an begleitet … oder zumindest über einen ähnlich langen Zeitraum. Und Szenen aus dieser geheimen Parallelhistorie waren hier abgebildet, direkt vor meinen Augen. Das Ausmaß dieser Erkenntnis bewirkte, dass ich mich klein und unbedeutend fühlte … und mich gleichzeitig sehr privilegiert schätzte.
    Neugierig betrachtete ich das nächste Bild, auf dem der Raum dargestellt war, in dem ich mich gerade befand. Eine Reihe Arbeiter, alle mit fünf Flammen über dem Kopf, bauten die Gräber und strichen die Wände, während eine Frau in einem langen weißen Gewand mit ausgebreiteten Armen silberne Strahlen in alle Richtungen schickte. In diese Strahlen waren Sterne, Monde, Sonnen, Hände mit fünf Funken und das signum bardia gezeichnet. Wahrscheinlich war dies eine guérisseur mit besonderen magischen Fähigkeiten, die einen Bann über diese Höhle gelegt hatte, sodass nur Ausgewählte sie betreten konnten und alle Revenants ferngehalten wurden. Das war mir vorhin ja auf dramatische (und herrlich unterhaltsame) Weise demonstriert worden. Gleichzeitig mussten noch andere Zauber diesen Ort schützen, denn in dem von der Frau ausgehenden silbernen Strahlenkranz schwebten weitere Symbole, die ich noch nie gesehen hatte.
    Plötzlich musste ich an Vincent, Ambrose und Arthur denken, die am Höhleneingang auf mich warteten. Je länger ich mich hier aufhielt, desto mehr würden sie sich um mich sorgen. Ich warf einen Blick auf mein Handy. Vor fünfundvierzig Minuten hatte ich sie zurückgelassen. Natürlich gab es hier unten keinen Empfang,

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