Von den Sternen gekuesst
seine durch die Brille stark vergrößerten Augen jeden Zentimeter des Zimmers aufzusaugen schienen.
Die Tür öffnete sich erneut und herein kam ein junger blonder Mann mit blauen Augen und einem weißen Anzug. Er machte eine leichte Verbeugung. »Theodore Gold«, sagte er.
»Aber Sie sind doch der Portier!«, entfuhr es mir. Dabei war er ohne die Uniform und den Hut kaum wiederzuerkennen. Die perfekte Tarnung , dachte ich. Niemand merkt sich das Gesicht des Portiers.
»Ja, dafür muss ich mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte der Mann nun mit vornehmer, nobler Ausdrucksweise, die keine Spur mehr des starken Jersey-Akzents aufwies, den er noch als Portier genutzt hatte. »Da mir meine Privatsphäre heilig ist, bin ich lieber nicht vom Ermessen anderer abhängig. Ich prüfe meine Gäste selbst, statt die Folgen einer Fehlentscheidung eines Fremden zu riskieren. Und obwohl Sie von einem Revenant begleitet werden«, er nickte zu Jules, »wäre es immerhin möglich, dass er genötigt wurde, Sie gegen seinen Willen herzubringen.
»Jules, richtig?«, sagte er und begrüßte ihn mit französischen Wangenküssen. »Willkommen.«
»Ich bin Kate«, sagte ich und streckte den Arm aus für einen Händedruck unter Amerikanern. Mr Gold schenkte mir ein warmes Lächeln und fragte zu meiner großen Erleichterung nicht, in welcher Funktion ich hier war. Mir war nämlich nicht danach, mich in einer langwierigen Ich-bin-die-Freundin-der-wandernden-Seele-Ausführung zu ergehen.
Als Nächstes wandte er sich Bran zu. »Wenn ich Ihre Tätowierung richtig deute, müssen Sie der Heiler sein, von dem Jean-Baptiste gesprochen hat. Ich habe bereits häufiger von guérisseurs gelesen, es ist mir eine wahre Ehre, Sie kennenzulernen.«
Schließlich kam er zu meinem Großvater. »Dann sind Sie Monsieur Mercier. Gaspard war so freundlich, mich am Telefon darüber zu unterrichten, in welcher Beziehung Sie und Ihre Enkelin zu der Pariser Sippe stehen.« Er wusste also Bescheid.
Ein Punkt weniger zu erklären , sagte Vincent zu mir.
»Du sprichst mir aus der Seele«, flüsterte ich.
»Mein Name ist Antoine Mercier«, bestätigte Papy in seinem wunderschönen, mit französischem Akzent gefärbten Englisch. Er bedachte den Revenant mit einem prüfenden Blick, der zwischen Neugierde und Misstrauen schwankte. »Sind Sie etwa Theodore Gold IV? Der Theodore Gold? Autor des Werkes Die Eroberung von Konstantinopel ?«
Der Mann lächelte. »Ja, das ist von mir.«
Papys Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte er gerade auch gut und gern dem Papst gegenüberstehen können. »Aber Sie sind noch so jung! Ich fühle mich wirklich geehrt, Sie zu treffen. Das Buch Ihres Vaters über Keramik aus der Römerzeit ist so etwas wie meine persönliche Bibel.«
Heiterkeit blitzte in Theodore Golds Gesicht auf. »Genau genommen ist auch das von mir, ich bin nämlich Theodore Gold junior und senior. Ich bemühe mich immer redlich, meine Ausdrucksweise von Generation zu Generation anzupassen, damit diese leider nötige Scharade nicht auffällt.«
Papy starrte ihn sprach- und reglos an.
Mr Gold lachte und klopfte ihm auf die Schulter. »Nun, ich werte es als großes Kompliment, Monsieur Mercier, dass ich selbst einen auf diesem Gebiet so versierten Menschen wie Sie habe täuschen können.«
Mein sonst durch nichts aus der Fassung zu bringender Großvater stand noch immer wie angewurzelt dort. »Ein Revenant«, staunte er. »Es gibt nur einen Theodore Gold. Die gesamte Dynastie bedeutender Experten auf dem Gebiet der Antiquitäten besteht … aus nur einer Person. Sind Sie außerdem G. J. Cäsar, dem ich in den vergangenen Jahrzehnten oft Sammelobjekte verkauft habe.«
»Ich glaube, dass ich sogar weit vorher etwas bei Ihnen erstanden habe. Und zwar unter dem Pseudonym von Theo Gold junior: Mark Aurel. Kurz bevor ich mir die Sammlung selbst vermacht habe«, erklärte Theodore hilfsbereit.
»Darf ich mich kurz setzen?«, fragte Papy, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war.
»Bitte«, sagte Mr Gold und wies auf die Couch. Auf dem Tisch davor befanden sich Flaschen mit Mineralwasser und ein Teller voller kleiner Käsekuchen.
»Ich war nicht sicher, ob Sie im Flugzeug gegessen haben«, merkte er an, während wir uns niederließen. »Es gibt ja auch einiges zu besprechen. Gehe ich recht in der Annahme, dass der volante Revenant, dessen Anwesenheit ich spüre, der Bardia Vincent ist, den Jean-Baptiste angekündigt hat?« Er lauschte einen Moment und
Weitere Kostenlose Bücher