Von den Sternen gekuesst
weiße Küche. Ich nahm ein Tablett von der Arbeitsfläche und lud alles darauf, was ich finden konnte: eine Schale mit Mandeln, ein paar Bananen, mehrere Becher Fruchtjoghurt und ein ganzes Vollkornbrot. Papy stellte noch eine Packung Orangensaft und eine Flasche Wasser dazu, die er aus dem Kühlschrank geholt hatte.
Als wir das Wohnzimmer betraten, telefonierte Mr Gold gerade mit seinem Arzt und erklärte, dass er sofort herkommen müsse, es handele sich um einen Notfall. Ich setzte mich zu Vincent, hob mit einer Hand seinen Kopf an und führte mit der anderen die Flasche an seinen Mund. Kaum war etwas Wasser in seinen Rachen gelaufen, verschluckte er sich, hustete, setzte sich auf und blickte wild um sich. »Wo bin ich?«, fragte er orientierungslos. Sobald er mein Gesicht erkannte, entspannte er sich sofort.
Und dann war es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Die Anspannung fiel von uns allen ab und wir brachen in regelrechten Freudentaumel aus. »Wir haben es geschafft!«, jubelte Mr Gold und verfiel in einen lustigen kleinen Tanz. »Dem Himmel sei Dank«, stieß Jules von der Erleichterung offensichtlich überwältigt hervor und ließ sich zurück auf die Couch sinken.
Papy fing an zu klatschen, was Mr Gold dazu animierte, sein Tänzchen mit einem peppigen Luftkick abzuschließen, bevor er zu Bran rannte, ihn fest in die Arme schloss und ihm auf den Rücken klopfte. » Sie haben es geschafft!«, freute er sich.
Wie immer wirkte Bran eher schüchtern, doch in seinen Augen funkelte der Triumph. »Ich kann es nicht fassen!«, sagte er. »Meine erste Handlung als guérisseur und schon einer wandernden Revenantseele wieder zu einem Körper verholfen. Wenn meine Mutter das nur hätte miterleben können.«
»Nicht nur Ihre Mutter, all Ihre Vorfahren wären stolz auf Sie. Und alle Ihre Nachkommen werden voller Ehrfurcht von diesem Ereignis sprechen«, bestätigte Mr Gold.
Bran schaffte es, wahnsinnig stolz auszusehen und gleichzeitig so zu wirken, als würde er sich liebend gern irgendwo verkriechen.
Ich saß einfach nur da und strahlte vor Freude. Während ich Vincents Gesicht berührte und ihm mit der Hand über die Haare fuhr, sprudelte mein Herz über vor Liebe. »Wie geht es dir, mon amour ?«, fragte ich und nutzte einfach mal den Spitznamen, den er mir sonst gab.
»Ich sehe noch sehr verschwommen«, sagte er und blinzelte. »Wir sind in Golds Apartment, oder?«
»Stimmt«, bestätigte ich. »Wir sind in Golds Apartment und ich kann deine Haare streicheln und deine Stimme mal wieder richtig hören und … ich kann das alles gar nicht fassen.« Als ich mich zu ihm beugte, um meine Lippen auf seine zu pressen, platzte mir fast das Herz.
»Ich bin zwar kein Arzt, aber ich vermute, Vincent braucht vielleicht noch etwas Nahrhafteres als Küsse«, witzelte Mr Gold.
Rot anlaufend hielt ich Vincent die Flasche Wasser hin, aus der er große Schlucke trank. Dann holte ich eine Handvoll Mandeln aus der Schale und ließ sie in seine Hand rieseln. Er stopfte sie alle auf einmal in den Mund, lehnte sich kauend zurück und sah mich ununterbrochen an. Gleichzeitig umklammerte er meine Hand so fest, als fürchtete er, sonst wieder in die Atmosphäre gesaugt zu werden. Mit der freien Hand gab ich ihm erst eine Banane und dann noch einmal die Wasserflasche. Allmählich bekam sein Gesicht ein wenig Farbe.
Nach einer kurzen Weile fragte Bran: »Können Sie sprechen?« Papy und er schoben Stühle zu Vincent an die Couch und betrachteten ihn neugierig.
»Vielleicht solltet ihr noch ein bisschen warten«, sagte ich, doch Vincent drückte nur meine Hand und murmelte: »Schon in Ordnung.«
»Was ist denn genau passiert, als das steinalte Fräulein versucht hat, Sie zu sich zurückzuholen?«, fragte der guérisseur .
Vincent starrte an die Decke, als müsse er seine Gedanken sammeln. Er atmete lang und tief aus. »Ich war über der Schale, schwebte da gewissermaßen«, setzte er an. »Dann wurde ich plötzlich nach oben und über die Stadt Richtung Atlantik gezogen. Bis ich Kates Stimme hörte«, sagte er mit einem Blick zu mir, »und plötzlich hatte ich genug Kraft gegenzuhalten. Erst konnte ich die Bewegung verlangsamen, dann verharrte ich kurz in der Luft und schließlich konnte ich mich sogar wieder zurückbewegen, bis ich wieder bei euch war.«
»Vielleicht hat die große Entfernung zwischen Violette und dir die Bindung geschwächt«, schlug Papy vor.
»Vielleicht«, sagte Vincent. »Aber sie
Weitere Kostenlose Bücher