Von der Liebe verschlungen
uns eines zweiten Blickes, als wir die Straße entlangeilten, gehüllt in lange Umhänge und Turbane, die nur unsere Augen frei ließen.
In diesem Teil Moskovias war ich noch nie gewesen, denn meine Eltern hegten gegenüber jedermann, der keine Abstammung von einer nachweislich reinen Bludlinie vorweisen konnte, große Vorurteile. Auch von den anderen ausländischen Vierteln hatte ich keines je zu Gesicht bekommen. Nur einmal, als ich klein war, war unsere Kutsche an einer Neujahrsparade im Drachenviertel vorbeigekommen, und ich hatte geschworen, dass ich einen echten Drachen gesehen hatte, der weißen Rauch in den Himmel spuckte. Wir gingen unter dem exotisch gewölbten Schild hindurch, auf dem in Blutrot mit Vergoldung »Klein-Mähren« stand, und es war fast so, als wären wir in einem anderen Land.
Die Lichter hier waren goldfarben wie die Sonne, anders als das Orange, das mein Volk bevorzugte. Der Stein war weiß und cremefarben, mit Akzenten in lebhaften Edelsteintönen, die an Meer, Palmen und exotische Früchte erinnerten, die ich nur von Gemälden kannte. Tuchbanner und Wimpel in strahlenden Farben flatterten an Leinen, die zwischen den Gebäuden gespannt waren, verliehen allem ein festliches Aussehen und gaben mir das Gefühl, als sei ich auf Entdeckungsreise, anstatt in Verkleidung herumzuschleichen, um einen Mann so gut wie zu töten, und das für meine eigenen finsteren Zwecke.
Das erste Gasthaus, an dem wir vorbeikamen, sah zu schäbig aus, und das zweite war viel zu edel für die Steine, die zu opfern ich beschlossen hatte. Zum Glück jedoch wirkte das dritte sowohl vernünftig als auch hübsch, mit einem großen Mosaik aus glitzernden Kacheln, das ein Kamel darstellte.
»La Jamala«, sagte Casper und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. »Gefällt mir.«
Ich nickte. »Kamele sind erstaunliche Geschöpfe. Sie können große Strecken zurücklegen und dabei von dem Blud zehren, das in ihren Höckern gespeichert ist. Und wenn das zur Neige geht, finden sie ein anderes Kamel und fressen dessen Höcker. Sehr einfallsreiche Kreaturen, diese Kamele.«
Ich ging Casper voran durch die Bogentür, buchte ein Zimmer und legte noch etwas obendrauf für »Privatsphäre und Diskretion«. Nach der Art, wie der alte Bludmann an der Rezeption die buschigen Augenbrauen hob, glaubte er wohl, dass ich hier Perversionen der schmutzigsten Sorte ausleben wollte. Er sah nichts von mir außer meinen Augen, umhüllt von burgunderrotem Tuch. Für ihn war ich eine perverse Bludfrau, die sich mit einem niederen Dienstboten einließ, doch ich hatte ihn gut dafür bezahlt, sich nicht darum zu scheren. Er drückte mir den Schlüssel in die Hand, auf dessen verblichener Lederquaste die Zimmernummer stand. Ich nahm Casper bei der Hand und zog ihn mit mir. Dass er zitterte, überraschte mich nicht.
Die Treppen waren perfekt in die Wände eingepasst und hatten kein Geländer, und wir stiegen in seltsamen Rautenmustern immer weiter hinauf, bis ich schon fürchtete, wir würden vom Dachboden hinab auf die Straße stürzen. Doch nein. Unser Zimmer war ganz oben, eine umgebaute Dachstube. Das war gut, denn es bedeutete, dass der Fußboden massiv war und wir keine Nachbarn links und rechts hatten, die lediglich durch Holzwände von unserem Tumult getrennt wären. Die zusätzlichen Edelsteine hatten ihren Zweck erfüllt. Ich schloss die Tür auf und drückte innen den Schalter. Ein ganzer Himmel voll sternenförmiger Laternen erwachte summend zum Leben und leuchtete mit dem Schimmer von Sonne und Wüstensand.
Ich stellte die Tasche ab, die ich unter meinem Mantel bei mir getragen hatte. Casper drückte die Tür wieder zu und sperrte sie ab, den Blick auf die Tasche gerichtet.
»Ist es das, was ich glaube?«
»Glaube mir. Wir werden es brauchen.« Ich holte die Flasche heraus und gab sie ihm.
Er entkorkte sie und schnupperte daran. »Essenz vom Meuchelmörder«, murmelte er und nahm schulterzuckend einen Schluck. Die Tatsache, dass er sich mutig fühlte, gefiel mir. Es würde die Nacht für uns beide leichter machen. Nach ein paar Schlucken verzog er das Gesicht. »Starkes Zeug.«
»Ich habe noch ein paar Zutaten beigemischt.«
Verusha hatte den Zauber, den sie erwähnt hatte, nicht auftreiben können, den, der uns beiden die Verwandlung erleichtern würde. Als Entschuldigung dafür hatte sie mir eine Flasche ihres besten Blutweins gegeben, von demselben Weingut, das auch die königliche Familie belieferte. Aber das wollte
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