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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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ich allein in der Wohnung bin.«
    »Jetzt bin ich ja da«, antwortete Martina auf ihre fürsorgliche Art. »Worauf wartest du?«
    Worauf ich wartete? Keine Ahnung, worauf ich wartete! Auf ein Wunder? Dass ein Raumschiff mit Außerirdischen über unserem Haus halten und meine Selbsthilfegruppe heraufbeamen würde, bevor ich die Sicherheitskette lösen würde?

    »Alles in Ordnung, Tommy?!«
    Wie oft hatte ich mir in den letzten drei Wochen, die mir vorkamen wie drei Jahre, gewünscht, wenigstens einmal wieder dieses »Tommy« zu hören, das Martina in der Aufregung herausgerutscht war. Seit der Sache mit Dorata war ich nur noch »Thomas« oder das »Arschloch«. Aber meine Freude darüber währte nicht lange.
    »Warum machst du nicht endlich auf? Ich will ein paar Sachen abholen!«
    Und jetzt? Ich könnte Martina anbieten, mir zu sagen, was sie brauchte, ich würde die Sachen in einen Koffer packen und ihr bringen. »Du sagst mir einfach, was du brauchst, und ich bringe dir die Sachen später mit dem Auto vorbei.«
    »Aber ich brauche die Sachen jetzt«, kam der Ball sofort zurück. »Warum machst du nicht endlich auf?!«
    »Weil ich Besuch habe«, rief ich durch den Türspalt und wandte mich an meine Selbsthilfegruppe, die amüsiert diese Szene beobachtete, als sei das hier eine Sitcom. »Meine Frau!« erklärte ich die Situation.
    Wie auf Kommando kam der Lacher.
    »Hast du aus lauter Verzweiflung den Bayern-Hass-Club…« Martina brach ab, denn nun stieg ein böser Verdacht in ihr auf. »Du vögelst deine Praktikantin in unserer Wohnung!?«
    Chruschtschow oder Chromosomen – was mir beim Blitzlicht nicht gelungen war: Jetzt hatte ich die volle Aufmerksamkeit der Gruppe.
    »Sollen wir vielleicht gehen, Tommy?« fragte Susanne zuckersüß, wobei die anderen hektische Zeichen machten, dass sie gerne noch ein bisschen bleiben würden.
    »Sie ist in unserer Wohnung!« Martina rüttelte an der Kette. »Ich habe ihre Stimme gehört.«
    Also hatte sie Dorata nicht getroffen, dachte ich erleichtert, weil Susanne eine viel dunklere Stimme hat. Und ich bin nicht Onkel Micha. Aber meine Freude, dass ich kein Monster war, währte nicht lange.

    »Wenn du nicht sofort aufmachst, schreie ich!«
    Um die Sicherheitskette zu lösen, musste ich die Tür schließen und einen Moment lang zögerte ich, sie einfach nicht wieder zu öffnen. Aber Martina besaß einen Hausschlüssel. Ich atmete tief durch und drückte die Türklinke.
    Martina betrat die Wohnung, so wie in Krimi-Serien die Kommissare eine Wohnung betreten, in der sie Gangster vermuten. Schussbereit. Martina hielt ihren Schirm – es regnete immer noch – wie eine Waffe, um ihn der armen Dorata über den Kopf zu ziehen. Aber da war keine Dorata.
    »Erdnüsse?« Lächelnd hielt Andreas Martina eine Schale hin, als sie unser Wohnzimmer betrat und ungläubig die ganzen fremden Menschen anstarrte, die dort saßen.
    »Martina, meine Frau!« begann ich mit der Vorstellung. »Das sind Andreas, Ingrid, Michael, Beate und Susanne! Wir haben uns auf Facebook kennengelernt. Wir werden in den nächsten Wochen 50 und treffen uns reihum, um über alles zu reden: das Leben und so. Wobei nichts nach außen dringen darf. Googeln dürfen wir uns auch nicht. Privater Kontakt zwischen den Treffen ist ebenfalls verboten. Und was war die vierte Regel?« wandte ich mich hilfesuchend an die Runde.
    »Wir lassen dich dann mal allein, Tommy«, erklärte Ingrid einfühlsam und erhob sich vom Sofa. »Ihr habt sicher eine Menge zu besprechen.«
    Aber Martina erklärte, wir sollten uns durch sie nicht stören lassen, sie müsse nur rasch ein paar Dinge einpacken, dann hätten wir unsere Ruhe.
    Leider lagen diese »Dinge« aus irgendeinem Grund alle im Wohnzimmer: Ein Bildband über die Singvögel Afrikas, den wir mal geschenkt bekommen hatten und der immer noch in Folie verpackt im Bücherregal lag. Eine Vase aus Alabaster, die Holgers Eltern von einer Nilkreuzfahrt mitgebracht hatten und die so hässlich war, dass wir sie längst weggeworfen hätten, wenn Holgers Eltern nicht bei jedem Besuch danach fragen würden. Und die Boxen unserer Anlage, die ein gemeinsames Weihnachtsgeschenk war, das wir
uns selbst gemacht hatten. Wobei ich fast alles bezahlt hatte, aber ich wollte nicht kleinlich sein.
    Alle schwiegen verlegen, während Martina an den Lautsprecherkabeln zerrte und die kostbaren Boxen, die in der 10. Generation in einem kleinen Familienbetrieb im Schweizer Jura von Hand gefertigt wurden,

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