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Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden

Titel: Von der Nutzlosigkeit, älter zu werden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Heinzen
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Kindererziehung?!« fuhr Susanne in einem Ton dazwischen, den ich bisher noch nicht von ihr gehört hatte.
    »Ich habe nicht behauptet, dass es wichtiger ist, Anleger reich zu machen, als Kinder in die Welt zu setzen und sie vernünftig zu erziehen«, erwiderte Ingrid ruhig. »Ich habe nur ein Problem damit, dass es immer die Frauen sind, die zurückstecken.«
    »Zurückstecken?« ereiferte sich Susanne. »Ich habe es immer als Bereicherung empfunden, Kinder zu haben. Hast du Kinder?«
    »Nein.«
    »Habe ich mir gedacht. Sonst würdest du anders reden.«
    Einen Moment lang rang Ingrid mit der Fassung. Sie war es gewohnt, in ihrem Job mit harten Bandagen zu kämpfen und Schläge einzustecken, sonst hätte sie es nie als erste Frau an die Spitze der Münchner Messegesellschaft geschafft. Aber dieser Treffer ging unter die Gürtellinie und schickte Ingrid zu Boden. Ich begann zu zählen: eins, zwei, drei … Würde Ingrid wieder aufstehen?
    »Ich war mal schwanger«, sagte Ingrid mit bebendem Kinn. »Das scheint ja die Voraussetzung zu sein, um hier als Frau ernst genommen zu werden.« Ingrids zitternder Zeigefinger tippte auf das Touchpad des Laptops, und auf der Wand erschien das Foto eines lachenden Mannes mit einem weißen Cowboyhut, der Ingrid in seinen kräftigen Armen hielt wie den Hauptgewinn einer Losbude.
    »Das ist Hank. Hank ist Texaner. Er arbeitete in Frankfurt als Fahrer für eine amerikanische Investmentbank.«
    Es folgten weitere Fotos, die Hank und Ingrid zeigten, wie sie zusammen auf dem Main Tretboot fuhren und sich im Zoo vor dem Nashorngehege küssten. Diese Fotos zeigten eine erstaunliche Verwandlung: Wirkte Ingrid auf den ersten Bildern wie ein Junge, was die streichholzkurzen Haare und der burschikose College-Look, den sie damals bevorzugte,
noch verstärkten, wurde sie auf den Fotos mit Hank immer weiblicher. Sie zeigte Bein, ließ ihr Haar wachsen und trug Kleider mit Ausschnitt.
    »Normalerweise hätte ich Hank nie kennengelernt. Während er nach Feierabend um die Häuser zog, studierte ich die asiatischen Märkte, um bei Börsenbeginn den anderen Tradern einen Schritt voraus zu sein. Damals gab es noch keinen Handel in Echtzeit. Dann stand Hank eines Abends vor meinem Apartment. Er wollte einen Kumpel besuchen, der eine Etage tiefer wohnte, aber nicht zuhause war. Ich lud ihn auf einen Kaffee ein …«
    »Obwohl du gar keinen Kaffee hattest?« warf Beate ein.
    »Der Klassiker.« Lachend klickte Ingrid das nächste Foto an: Sie und Hank am Grand Canyon.
    »Als Hank das nächste Mal nach Hause fuhr, nahm er mich mit, um mich seiner Familie vorzustellen.«
    Nächstes Bild: Ingrid trug jetzt auch einen weißen Cowboyhut. Sie saß mit Hank auf einem Pferd und hielt sich an seinen breiten Schultern fest.
    »Als wir zurückkamen aus den USA, blieben meine Tage aus. Ich kaufte einen Schwangerschaftstest in der Bahnhofsapotheke. Arm in Arm schauten wir im Badezimmer zu, wie sich der Teststreifen verfärbte. Hank freute sich, ich lag die ganze Nacht wach. Hank erklärte, er wolle mich heiraten. Ich lag auch in den nächsten Nächten wach. Ohne mit Hank darüber zu reden, ging ich in eine Beratungsstelle und besorgte mir eine Indikation, was nicht so schwierig war. Ich erklärte, der Vater sei Ausländer und sein Aufenthalt befristet. Hank weinte, als ich ihn vor vollendete Tatsachen stellte. Unsere Beziehung zerbrach.«
    »Warum hast du Hank keine Chance gegeben?« brach Beate das Schweigen, das sich nach Ingrids Geständnis über unsere Runde gesenkt hatte. »Weil er nur Fahrer war?«
    »Ist doch Quatsch!« ereiferte sich Ingrid. »Das spielte überhaupt keine Rolle, Geld und so. Natürlich verdiente ich viel mehr als Hank, wobei ich damals längst nicht so viel verdient
habe wie heute. Ich wollte einfach nicht«, Ingrid suchte nach den passenden Worten, »dass das alles umsonst war. Harvard, die Nächte über den Büchern, unser Kampf.«
    »Welcher Kampf?« schaltete sich Andreas ein. »Meinst du diesen ganzen Krampf mit der Emanzipation, der am Ende nur Verlierer zurückgelassen hat?«
    »Ich fühle mich nicht als Verlierer«, verteidigte sich Ingrid. »Wir sind die erste Frauengeneration in Führungspositionen. Wir haben mit den Männern gleichgezogen. Wir besitzen Macht. Ich habe in meinem Büro schon gestandene Manager zittern sehen, weil ich mit einem Telefonanruf ihre Karriere beenden kann.«
    »Toll! Und dann kommst du nach Feierabend in dieses Aquarium, und die Putzfrau ist deine beste

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