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Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)

Titel: Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achill Moser , Wilfried Erdmann
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einen versteckten Zugang zum Meer erreichbar war. So blieb Gedi mehr als 100 Jahre völlig unentdeckt von den Europäern, ehe die Stadt zu Beginn des 17. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Man vermutet, dass die Überfälle des Galla-Oromo-Stammes schuld daran waren, der jahrhundertelang den Küstenstreifen Ostafrikas kontrollierte. Als später die Somali und Massai die Oromo verdrängten, versank Gedi hinter dem grünen Vorhang des Dschungels.
    Erst 1884 kämpfte sich der Brite Sir John Kirk mit dem Buschmesser durch das unwegsame Immergrün und fand die Überreste von Gedi, die seitdem als »ostafrikanisches Pompeji« gelten.
    Was für eine Geschichte! Völlig klar: Ich musste nach Gedi, auch wenn diese Schatzlegende vielleicht zu jenem versponnenen Seemannsgarn zählt, das die Inseln zwischen Pazifik und Indischen Ozean umspannt. Dennoch: Wer hat nicht schon mal davon geträumt, einen geheimnisumwitterten Piratenschatz zu finden? Wer wünscht sich nicht, irgendwo am Ende der Welt eine eisenbeschlagene Truhe aus dem Sand zu ziehen, die mit Gold und Edelsteinen gefüllt ist?
    Zwei Tage später fand ich mit Yussufs Hilfe im alten Hafen von Sansibar-Stadt eine seetüchtige Dhau, deren Kapitän mich nach Mombasa zur kenianischen Küste mitnahm. Es war eine wind- und gischtumrauschte Fahrt, bei der die Dhau mal schwerfällig, mal federleicht durch den niemals gleichen Wellenteppich glitt. Zumeist war der Rhythmus der Wellen aber angenehm. Und wenn ich an Deck auf einer Bastmatte lag und in die wandernden Wolken träumte, trug mich das wunderbare Wiegen der Dhau in Gedanken fort – in eine andere Wirklichkeit, in eine andere Zeit. Ein herrliches Gefühl. Dennoch ist es schon sehr seltsam, dass man sich auf einem Segelboot zuweilen wie ein Gefangener fühlt, doch gleichzeitig ist man nirgendwo freier.
    Als ich Kenias Küste erreicht hatte, fuhr ich von Mombasa im Geländewagen auf Asphalt- und Schlaglochpisten nach Norden – zur Urwaldstadt Gedi, die nun auch schon vom Tourismus entdeckt wurde.
    Gedi erschien mir als ein Ort wilder Schönheit. Zwischen Modergeruch und Treibhausluft war noch alles da, so wie Yussuf es erzählt hatte. Natürlich nur ruinenhaft: Uraltes Mauerwerk ragte aus üppigem Pflanzengetümmel. Bäume, Buschwerk und Lianen wucherten in verfallene Wohnhäuser. Mittendrin ein ausgeklügeltes Wassersystem, das zu den genialsten der Menschheitsgeschichte zählt.
    Für ein paar Augenblicke tauchte ich in die Vergangenheit ein und las in einem Reiseführer, dass Gedi bereits als Hafen antiker Seeflotten existiert hatte. Später zählte sie zum südarabischen Sabäerreich. Im Jahre 1445 hatte der weitgereiste arabische Geographen Al Isidris die wohlhabende Urwaldstadt besucht und Gedi als eine augenbetörende Stadt erlebt, in der nahezu jedes Haus ein vornehmes Palais war.
    Mittlerweile ist der einstige Glanz von Gedi entschwunden, wenngleich eine seltsam magisch-mystische Stimmung über der uralten Ruinenstadt lag. Vermutlich war ich beeinflusst von den vielen Legenden, die sich um die moosbedeckten Gemäuerwälle rankten. Hier soll sich auch der sagenhafte Seefahrer Sindbad von seinen Abenteuern auf den Sieben Meeren erholt haben. Vielleicht lag es aber auch daran, dass es Gedi mir nicht gerade leicht machte, Zugang zu finden: Die Luft war kaum zum Atmen, und Myriaden von Moskitos piesackten mich. Zudem gab es Riesenameisen, Riesenlandschnecken, Riesentausendfüßer, Schmetterlingsschwärme und Affen, die über mir in lianenumschlungenen Baumriesen kreischten. Und zum Sonnenuntergang, wenn das Licht hinter den hohen Baumwipfeln entschwand, erschien mir jeder Pfad in dieser labyrinthartigen Ruinenstadt als Sackgasse. Als ich den Ausgang suchte, stolperte ich über armdicke Luftwurzeln und grüne Fallstricke. Ich versuchte auf Schlangen zu achten, sah aber nur wucherndes Grün, dass uraltes Menschenwerk umschlang. Äste und Baumwurzeln hielten ehemalige Palast- und Moscheemauern im Würgegriff. Schlingpflanzen krochen durch Torbögen und Fensteröffnungen, kletterten an altersschwachen Wänden himmelwärts, legten die Ruinen in Fesseln.
    Alles rundum war grün, grün, grün.
    Natur im Rohzustand – aufdringlich, chaotisch, feindlich. Eine subtropische Pflanzenwelt, die kein Mittelmaß kannte und in der noch immer jede Entdeckung möglich war.

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    Der Mensch tut alles Mögliche, um das Alleinsein zu vermeiden. Wir haben nicht gelernt, mit der Einsamkeit umzugehen, die eine unbestimmte Angst

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