Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Beinen der Packtiere auf, die mit Säcken, Taschen, Ziegenbälgen und bunten Decken beladen waren. In einem Korb hockten ein paar Hühner, die ihre Köpfe aus dem Flechtwerk steckten. An den Schultern einer Frau war ein hölzernes Traggestell befestigt, in dem ein Baby lag. Kannen, Töpfe und Pfannen baumelten über dem Sattelknauf. Alle paar Minuten verlangsamten die Esel ihr Tempo und knabberten zwischen Geröll und Steinbrocken an buschigen Grassoden, bis einige Kinder den Lasttieren mit heftigen Stockhieben Beine machten.
Nicht weit dahinter trippelte eine Schaf- und Ziegenherde, angetrieben von zwei Männern, vermutlich Vater und Sohn, die merkwürdig-kehlige Laute ausstießen, denen die Nachzügler gehorchten. Die beiden Männer trugen abgenutzte Hosen und Jacken und auf dem Kopf eine hohe Kappe, um die ein Turbantuch geschlungen war. Menschen der Berge und des Windes, die sich nicht zur Sesshaftigkeit zwingen ließen, sondern vom Unterwegssein geprägt waren. Menschen, die, getrieben von ständiger Sorge um ihr Vieh, jahrein, jahraus durch das Land zogen, immer auf der Suche nach Wasserstellen und Weideflächen. Ein hartes und einfaches Leben in biblischer Existenzform.
Je weiter ich auf türkischem Boden nach Norden gelangte, desto heißer und stickiger war es. Gleichwohl kam ich gut voran, bis ich die ganze Wetterküche Kurdistans hautnah erlebte. Erst tobten orkanartige Fallböen gegen mein Biwak, das ich die halbe Nacht mit beiden Händen am Gestänge fest umklammert hielt. Dann entluden sich schwarze Wolkenungetüme in sintflutartigem Regen. Fast schmerzhaft peitschten mir die Tropfen ins Gesicht und brannten auf der Haut, ehe ich unter einer überhängenden Felswand etwas Schutz fand. Dort fühlte ich mich wie in einer wasserfallumtosten Grotte. Doch damit nicht genug: Als die heftige Regenflut nachließ, zerschnitten wilde Blitze das tief hängende Gewölk. Grollender Donner erschütterte die Berge, und der nächtliche Himmel erglühte in violettem Feuerzauber.
Am nächsten Morgen, als das Unwetter sich verzogen hatte, entdeckte ich neben meinem Biwak eine Schlange, die in eine Felsspalte floh. Entsprechend vorsichtig rollte ich mein kleines Kunststoffhaus zusammen, denn bei den meisten Schlangen dieser Region handelt es sich um giftiges Getier.
Welch unglaubliches Glück, als ich in einem ausgedehnten Tal einige weiße Woll- und erdbraune Ziegenzelte entdeckte! Ich traf auf einige Schäfer, kurdische Halbnomaden. Ein paar magere Wachhunde sprangen mir knurrend entgegen, kläfften laut, als ich mich dem kleinen Zeltlager näherte. Rasch war das Misstrauen der Nomaden verflogen, als ich mit wenigen Worten von meiner Wanderung erzählte. Sie boten mir einen Platz am Lagerfeuer an, und zu Fladenbrot und Schafskäse gab es ein buttermilchartiges Getränk. Später am Abend wies mir Yasar, ein stattlicher und freundlicher Kurde um die 30, einen Schlafplatz im großen Wohnzelt zu. Unter einem gewebten Dach aus Ziegenhaar brauchte ich auf einem weichen Lager aus übereinanderliegenden Decken nur noch meinen Schlafsack auszurollen. So bequem hatte ich es schon lange nicht mehr gehabt.
Nach drei Wochen Fußmarsch erreichte ich Doğubeyazıt. Eine türkische Stadt mit Cafés, kleinen Hotels, Einkaufsläden, Barbierstuben und Apotheken, die vor langer Zeit an einem jahrtausendealten Karawanenpfad gegründet wurde. Bewaffnete Jandarma-Soldaten patrouillierten durch die Straßen. Graubärtige Männer knieten mit weißer Andachtshaube auf schattigen Hinterhöfen und murmelten ihre Koran-Suren. Junge Frauen mit ebenholzfarbenen Gesichtern und bunten Kleidern machten Einkäufe, während ihre Kinder zwischen Autos und Eselskarren tobten.
Nach ein paar Ruhetagen im weichen Hotelbett brach ich zum weißen Haupt des biblischen Berges Ararat auf, der in assyrischen Inschriften als Urartu überliefert ist, den die Armenier Masis nennen, die Mutter der Welt, und die Anatolier Büyük Ağri Dağı, Berg der Schmerzen. Völlig freistehend ragt er von einem 1000 Meter hohen Plateau über 4000 Meter in den Himmel. Und mit einer Gesamthöhe von 5165 Metern ist kein Berg im Umkreis von mehreren Kilometern machtvoller und größer. Zudem bedeckt der Ararat, zusammen mit dem Kleinen Ararat (Kücük Ağri Dağı, 3896 Meter), eine Fläche von rund 1500 Quadratkilometern. Seit fast 2000 Jahren ist dieses Bergmassiv Bestandteil des christlichen Glaubens, denn laut Bibel gibt es keinen Zweifel, dass die Arche Noah auf dem
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