Von der Wüste und vom Meer: Zwei Grenzgänger, eine Sehnsucht (German Edition)
Gebirge Ararat strandete und von dort auch das Menschengeschlecht stammt. Und die Wasser wuchsen gewaltig auf Erden hundertundfünfzig Tage , heißt es in der Heiligen Schrift. Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war, und ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen. Und die Brunnen der Tiefe wurden verstopft samt den Fenstern des Himmels, und dem Regen vom Himmel wurde gewehrt. Da verliefen sich die Wasser von der Erde und … am siebzehnten Tag des siebten Monats ließ sich die Arche nieder auf dem Gebirge Ararat.
Nach dem Rückgang der Sintflut soll die Wiederbesiedlung der Erde durch die Söhne Noahs erfolgt sein: Ham und Sem, die Urväter der Hamiten und Semiten, zog es ins Morgen- und Abendland hinaus, während Japhet, der jüngste Sohn, sich in der Nähe des Ankerplatzes der Arche niederließ.
Der Koran, in dem Prophet Nuh (Noah) und sein Rettungsschiff ebenfalls verewigt sind, will es in der 11. Sure noch genauer wissen: Und es nahm ab das Wasser, die Ordnung wurde wiederhergestellt und das Schiff hielt auf el-Cudi.
Der islamischen Überlieferung nach soll Noahs Holzschiff also in der südlichsten Tauruskette auf dem Gipfel des 2114 Meter hohen Berges Cudi angelandet sein, der sich an der türkisch-irakisch-syrischen Grenze erhebt und einer steinernen Mauer gleicht.
Nach wie vor gibt es Geschichten über Geschichten, die sich um den Verbleib der Arche Noah ranken, aber keine Beweise. Doch eine große Überschwemmung hat es zwischen Euphrat und Tigris gegeben. Das überliefern nicht nur die Annalen von Sumer und Ur, das haben auch Grabungen von Altertumsforschern und Archäologen ergeben, die umfangreiche Erd- und Schwemmsandschichten aus uralter Zeit fanden. Vor allem der Engländer Sir Charles Leonard Woolley, der im Südirak die sumerischen Königsgräber von Ur entdeckte, lieferte eindeutige Beweise für eine gewaltige Überschwemmungskatastrophe im Zweistromland.
Im Morgengrauen stieg ich an der Nordwestseite des Ararat aufwärts. Über schroffe Hänge mit erstarrten Lavaschlacken, ausgedörrten Disteln, stacheligen Gräsern und Geröll kam ich trotz empfindlicher Kälte flott voran. Höhenmesser, Kompass und Karte wiesen mir den Weg, wobei meine Füße wie von selbst ihren Halt zwischen den kantigen Basalt- und Trachytblöcken fanden. Als ich auf 4200 Meter Höhe das Biwak für die Nacht aufschlug, zogen sich finstere Wolkenbänke zusammen. Bald streiften Nebelfetzen über das Gelände, und ein rauer Wind rüttelte an den Zeltwänden. Die Temperatur sank rapide. Südoststurm. Nervenzermürbend blies er die ganze Nacht.
In der Morgendämmerung schälte ich mich mit ungelenken Gliedern aus dem Schlafsack. Auf die Flammen meines kleinen Gaskochers setzte ich einen Topf mit Schnee. Ich bereitete mir heißes Wasser zu, rührte ein Suppenpulver hinein, worauf sich im Zelt der Geruch von würziger Kraftbrühe verbreitete. Hungrig schlürfte ich die Suppe, aß etwas Brot und Speck dazu.
Nach dem Frühstück stieg ich über eisige Schatten bergan und gewann rasch an Höhe, ehe ich im klaren Morgenlicht mit Steigeisen und Stahlpickel über die bläuliche Eiswüste des Gletschers stapfte, der bei 4900 Metern begann. Auf einer verharschten Schneeschüssel brachen meine Füße immer wieder durch die Firnkruste. Quellwolken umhüllten mich, während ich Meter für Meter an Höhe gewann.
Als ich den Gipfel erreichte, jagten heftige Böen über den Grat und zerrten an meiner Kleidung. Die Luft war spürbar dünner. In der Eiseskälte gefror mein Bart. Müde setzte ich mich auf einen Felsen und schaute ringsum, als für Augenblicke das graue Gewölk auseinanderriss. Der unbegrenzte Blick verlor sich in einer atemberaubenden Weite. Eine Welt vielfältigster Farben, ohne Menschen, Autos und Lärm. Nur Natur.
Beim Abstieg vom Gipfel des Ararat zog sich ein schwefelgelber Wolkenkranz um das Massiv zusammen. Ein Unwetter drohte und trieb mich zu keuchendem Vorwärtshasten an. Doch erst am späten Nachmittag, als ich bis auf 2000 Meter hinabgekraxelt war und mich in sicheren Gefilden befand, entlud sich das Gewitter. Danach zog sich eine grauweiße Nebelwand über mir zusammen. Ich war heilfroh, den Weidegründen der Nomaden näher zu sein als dem Gipfel.
Zwei Tage später packte auch mich das Arche-Noah-Fieber, und zusammen mit meiner Frau Rita, die mich am Fuße des Ararat erwartet hatte, brach ich im Geländewagen zu einem Tal auf, das einige
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