Von Fall zu Fall
dem besten Willen, aber sobald sich ihm ein hübsches Ding an den Hals warf, war er hin.«
»Deshalb hatten Sie's mit ihm so schwer?« fragte ich.
»Ja, deshalb.«
»Erzählen Sie.«
»Wir waren verlobt und wollten heiraten«, fuhr sie fort. »Aber er ist ein unruhiger Geist. Ich bin übrigens schon einmal verheiratet gewesen. Jedenfalls reiste ich dann bald mit ihm herum, wobei wir uns als Ehepaar ausgaben. Dann betrank er sich mal und bekam Ärger mit der Polizei. Reno wurde ihm zum Verderben. Er fing mit dem Glücksspiel an und gewann eines Abends ungefähr dreihundert
Dollar. Da haben wir gelebt wie die Fürsten, und er fragte mich, warum ihm bisher kein Mensch erzählt hätte, daß man auf so leichte Art zu Geld kommen kann.«
»Also ging er am nächsten Abend prompt wieder zum Spieltisch und verlor alles«, warf ich ein.
Sie nickte. »Bis aufs Hemd«, ergänzte sie. »Und dann setzte er einen Scheck. Aber die Leute hier werden sehr böse, wenn man am Spieltisch mit faulen Schecks zahlt, und die Kasinobesitzer sind in diesem Staat eine Macht...«
»Also wanderte Tom ins Gefängnis. Und Sie?«
»Ich blieb dort und wartete auf seine Freilassung«, antwortete sie.
»Wie haben Sie sich denn dort durchgeschlagen?«
Die Antwort, die sie zuerst geben wollte, kam nicht. Sie sah mich an und sagte: »Tom weiß das gar nicht — ich habe selbst Geld.«
»Wieviel denn?«
»Eine ganz schöne Summe. Das soll Tom aber nicht wissen. Bei seinem Charakter wäre es sein Untergang, wenn er sich an eine Frau klammern könnte, die ihm alles zum Leben Nötige gibt.
Er mag nicht, daß ich als Kellnerin arbeite. Ich bin freundlich, und meine Figur sehen die Männer im allgemeinen nicht ungern. Wenn man an die Tische kommt, sind manche Gäste ja nett, aber andere werden frech, und manche... Na ja, die kneifen einen.«
»Erzählen Sie weiter.«
»Also überließ ich es Tom, mich zu ernähren. Er ist ein recht guter Mechaniker. Wenn er will, kann er genug verdienen. Er könnte auch ein prächtiger Ehemann werden, wenn er solide würde. Aber er ist zu ungebärdig. Immer unstet und... Na, das ist eben das Malheur. Er mußte in Carson City ins Gefängnis, und ich wartete. Später wurde er auf Bewährung entlassen.
Nun müssen Sie dabei folgendes bedenken. Bei Bewährung darf man den betreffenden Staat für die Dauer der Frist nicht verlassen. Unglücklicherweise ist in Nevada das Glücksspiel erlaubt, und wenn Tom spielen kann, wird's schlimm. Das wußte ich, und er wußte es ebensogut.
Von der Bewährungskommission wird auch die Bedingung gestellt, daß er nicht in Lokale gehen darf, in denen Alkohol ausgeschenkt wird, und das Glücksspiel ist ihm gleichfalls verboten. Aber diese Bedingung zu erfüllen, brachte Tom nicht fertig. Kaum war er draußen, da saß er schon am Spieltisch und gewann gleich beim erstenmal etwa fünfundachtzig Dollar.
Als er nach Hause kam und mir das erzählte, wußte ich, was die Glocke geschlagen hatte, und nach längerer Überlegung sah er das selbst auch ein. Ich erklärte ihm, es gäbe nur einen Ausweg: nach Kalifornien zu ziehen und dort eine Stellung zu suchen.«
»Sie nennen ihn Tom«, sagte ich.
»Ja, das ist sein Vorname, aber Allen ist nicht sein richtiger Name.«
»Wie heißt er denn in Wirklichkeit?«
»Adair.«
»Aber Sie haben die Wohnung hier behalten?«
»Ja, und zwar ohne sein Wissen.«
»Warum?«
»Weil meine Sachen alle hier sind. Tom hat von dieser Wohnung auch vorher nichts gewußt. Er hat geglaubt, ich arbeitete, während er im Gefängnis war, als Kellnerin in einem Restaurant. Da er dies nicht unbedingt wissen mußte, sagte ich's ihm auch nicht.«
»Und Sie haben reichlich Geld, sich diesen teuren Spaß leisten zu können?«
»Ja, das habe ich«, erwiderte sie.
»Gut. Jetzt wollen wir mal feststellen, was in der Nacht vom Fünften zum Sechsten und morgens los war.«
»Da war überhaupt nichts los«, erwiderte sie. »Ich wohnte mit Tom in Rommelly in einem Autohotel. Er arbeitete nachts in der Garage. Das war die einzige Stellung, die er bekommen konnte. Ich erschien dort gewöhnlich morgens gegen halb acht, wenn er Schluß machte. Wir gingen dann zusammen frühstücken und nachher auf unser Zimmer, wo er schlief. Ich sorgte so gut wie möglich dafür, daß er zwei bis drei Stunden Ruhe hatte. Mehr Schlaf brauchte er nicht, manchmal kam er sogar mit weniger aus.
Sein Nachtdienst verlief ungefähr folgendermaßen: Bis Mitternacht mußte er wach bleiben und sich
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