Von Feuer und Nacht
sie hinter sich hatte, behagte es Orli nicht unbedingt, eine weitere Klikiss-Welt aufzusuchen, aber sie wusste nicht, wo sie sonst leben sollte. Ihr immerzu optimistischer Vater hätte Llaro eine großartige Gelegenheit genannt. Aber er war jetzt tot, wie alle anderen auf Corribus. Sie versuchte, nicht daran zu denken.
Trotz ihrer Bedenken hatte Orli beschlossen, sich den Crenna-Flüchtlingen anzuschließen. Nur wenige Habseligkeiten begleiteten sie: ihre Synthesizer-Streifen, einige Kleidungsstücke und viele schlechte Erinnerungen. Sie war vierzehn, eine Waise und Überlebende. Die Berichte über die Vernichtung der Corribus-Kolonie hatten ihr Gesicht in allen Nachrichtenkanälen gezeigt, und Orli hatte gehofft, auf diese Weise vielleicht ihre leibliche Mutter wiederzufinden. Aber sie blieb verschwunden. Orli zuckte mit den Schultern. Als Mutter hatte sie ohnehin nicht viel getaugt; ohne sie war sie besser dran.
Der lavendelblaue Himmel war herrlich: Pastellfarben über einer trockenen Landschaft. Die erste Welle aus Kolonisten und TVF-Soldaten hatte bereits eine recht große Siedlung erbaut. Der neben Orli stehende Mr. Steinman schnupperte die Luft. »Scheint ein geeigneter Ort zu sein, mit reichlich Platz. Ich habe noch immer Kopfschmerzen von all dem Lärm auf der Erde.«
»Ich hoffe, wir müssen hier keine Pelzgrillen essen«, sagte Orli und schnitt eine Grimasse.
»Mach dir nichts vor. Bestimmt finden wir hier etwas ebenso Scheußliches.« Soldaten standen am Transportal. Kasernen umgaben die Ruinen der Klikiss-Stadt, in der sich das Portal befand. Es sah fast so aus, als wollte das Militär verhindern, dass die Kolonisten zum Transportal liefen, um dorthin zurückzukehren, woher sie kamen. Orli hielt das nicht für ein gutes Zeichen.
Eine Gruppe näherte sich, um sie zu begrüßen. Die meisten Personen trugen sonderbare Kleidung mit vielen Taschen, protzigen Verzierungen und bunten Halstüchern - dies war etwas ganz anderes als die schlichten Overalls, die Orli von Dremen und Corribus her kannte.
»Ich hätte nicht gedacht, hier so viele Roamer zu sehen«, sagte Steinman. Orli gewann bald den Eindruck, dass nur sie und die Flüchtlinge von Crenna sich darüber freuten, auf Llaro zu sein. Wie sich herausstellte, waren die Roamer Kriegsgefangene, von der TVF auf Llaro interniert - kein Wunder, dass sie nicht viel von ihrer neuen Heimat hielten. Den ursprüng lichen Siedlern gefiel es nicht, dass ihre Welt in ein Gefangenenlager verwandelt worden war, und das TVF-Personal hatte den Eindruck, in die tiefste Provinz verbannt worden zu sein und für einen Haufen Kolonisten Babysitter spielen zu müssen. Llaro gefiel niemandem.
Aber für Orli und die Flüchtlinge von Crenna gab es keinen anderen Ort. Das Oberhaupt der gefangenen Roamer, ein dickbäuchiger Mann namens Roberto Clarin, verschränkte die Arme und machte keinen Hehl aus seinem Missfallen. »Shizz, ihr gehört alle zu dem Plan, uns in die Gesellschaft der Hanse zu integrieren. Die Große Gans glaubt, dass wir vergessen, was sie uns angetan hat, wenn wir uns hier heimisch fühlen.«
Orli dachte an die eigenen Mühen und die vielen neuen Anfänge und Fehlschläge, die sie zusammen mit ihrem Vater erlebt hatte. Sie musterte den Roamer. »Niemand kann Sie zwingen, all die schlimmen Dinge zu vergessen, Mister. Aber man muss in die Zukunft sehen. Sonst sind die Erinnerungen wie Treibsand.«
Clarin blickte auf das Mädchen hinab und lachte leise. »Beim Leitstern, ich hoffe, alle Neuankömmlinge sind wie du, Kind.«
Nach der Passage durchs Transportal machten sich die neuen Siedler daran, ihr Gepäck zu kontrollieren: Kleidung, von der Hanse stammende Werkzeuge, Proviant und Andenken an die in Eis erstarrte Welt, von der sie kamen. Orli schlang die Arme um ihren Tornister mit dem billigen Syn- thesizer darin.
Aus der Versammlung wurde schnell eine Tauschbörse. Die Roamer und die ersten Siedler waren sehr neugierig darauf, was die Crenna-Flüchtlinge mitgebracht hatten. Man stellte sich gegenseitig vor, und Orli versuchte, sich all die Namen, Gesichter und Clanverbindungen zu merken.
Es dauerte nicht lange, bis alle dabei halfen, aus Fertigteilen provisorische Unterkünfte für die von Crenna stammenden Siedler zu errichten. Orli fragte sich, ob sie eine kleine Hütte für sich ganz allein bekommen würde oder bei einer der Kolonistenfamilien wohnen sollte. Sie wusste nicht genau, was ihr lieber war. Inzwischen fühlte sie sich nicht mehr wie ein
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