Von Feuer und Nacht
Stationierung ihres Enkels schien Maureen weniger zu beschäftigen als die Möglichkeit, dass sie die Situation falsch eingeschätzt hatte. »Ich verspreche dir, dass ich dich sofort nach Hause hole, wenn die Krise vorbei ist.«
Patrick lachte, aber es klang recht bitter. »Welchen Teil der >Krise< meinst du? Wenn wir den Sieg über die Hydroger errungen haben? Oder sobald es uns gelungen ist, jene Schiffe zurückzuholen, die die Soldaten-Kompis unter ihre Kontrolle gebracht haben? Sprechen wir hier auch von einem vollständigen Sieg über alle Roamer-Clans?«
»Sprich nicht in einem solchen Ton mit mir. Ich versuche zu helfen.« Patrick zog einige Scheiben Käse aus einem Päckchen und aß sie mit den Fingern. »Und ich versuche, realistisch zu sein, Großmutter. Ich bin bereits im Kampf gewesen.« Jähe Panik schnürte ihm den Hals zu, als er sich an das Massaker von Osquivel erinnerte: Die Hydroger-Kugeln zerstörten die TVF-Schiffe schneller, als man zählen konnte ... Er entsann sich daran, wie er das Wrack seines Mantas aufgab und durch die Fenster der Rettungskapsel beobachtete, wie der Rest der TVF-Flotte floh, ohne sich um eventuelle Überlebende zu kümmern. »Die Hydroger werden keine Mühe haben, uns zu erledigen.«
Maureen sammelte Verpackungsmaterial ein und räumte die Küche auf, noch bevor ihr Enkel mit dem Imbiss fertig war. Verärgert betrachtete sie die Flecken, die Patrick auf der Arbeitsplatte hinterlassen hatte, aber sie ver suchte, aufmunternd zu klingen. »Wenn die Hydroger oder die Soldaten-Kompis versuchen, die Erde zu zerstören, hast du fernab dieser Welt vielleicht größere Überlebenschancen.«
Er sah sie stumm an. Als die schwere Stille andauerte, wuchs Maureens Unbehagen. Sie war daran gewöhnt, Bediensteten und Untergebenen Befehle zu erteilen, in dem Wissen, dass sie alles tun würden, ihren Wünschen zu entsprechen. Sie wusste nicht, wie sie mit ihrem Enkel fertig werden konnte. Schließlich entschied sie, sich zurückzuziehen. »Ich wollte dir nur sagen, dass ich alles versucht habe. Ich überlasse dich jetzt deinem ... Imbiss. Wir können dieses Gespräch morgen früh fortsetzen.«
Patrick aß den Käse, obwohl er den Appetit verloren hatte. Sein Entschluss stand bereits fest.
Er erinnerte sich an die seltsam befriedigende Arbeit, die er in den Werften von Osquivel geleistet hatte. Hier auf der »zivilisierten« Erde hatte er immer wieder gehört, dass die Weltraumzigeuner ehrlos und gemein waren. Niemand in der Hanse hatte jemals die Leistungen der Roamer gewürdigt. Stattdessen hatte man sie immer wieder beleidigt, sie als einfallslose Hochstapler dargestellt, die keinen Respekt verdienten.
Aber Patrick hatte mit eigenen Augen gesehen, wie Roamer-Familien zusammenarbeiteten und Wunder vollbrachten. Und er war gern mit Zhett Kellum zusammen gewesen. Er bedauerte noch immer, sie hintergangen zu haben, um zu fliehen, und er hoffte, es eines Tages wiedergutmachen zu können.
Er hatte seinen Dienst beim irdischen Militär geleistet, für General Lanyan gearbeitet und gesehen, auf welche launische und unfaire Art politische Entscheidungen getroffen wurden. Inzwischen war Patrick davon überzeugt, dass die TVF und die Hanse ihre Probleme selbst verursacht hatten.
Aber aus ihrer Position konnte Maureen die Fehler nicht erkennen.
Patrick betrat sein geradezu absurd großes Zimmer, obwohl er nicht müde war - zum Glück, denn ihm stand eine lange Nacht bevor. Von jetzt an gab es kein Zurück mehr.
Er streifte praktische Kleidung über, packte dann saubere Sachen, Bargeld und aus der Küche stammenden Proviant ein. Bei der TVF hatte er gelernt, mit leichtem Gepäck zu reisen, schnelle Entscheidungen zu treffen und entschlossen zu handeln. Als er fertig war, ging er auf leisen Sohlen durch die Villa, deaktivierte sowohl die Alarmanlage für das Haus als auch die Grundstücksüberwachung. Dann begab er sich in die Garage, wo seine alten Wagen nach Wachs und Motoröl rochen.
In der hangarartigen Erweiterung auf der anderen Seite stand Maureens Raumjacht, ein kleines Raumschiff, das eine sehr reiche Person in einer Zeit des Wohlstands gekauft hatte. Patrick fragte sich, ob die alte Streitaxt das Schiff aus eigener Tasche bezahlt hatte, oder ob es sich um ein »Ge- schenk« politischer Freunde handelte, als Gegenleistung für einen lukrativen Vertrag. Er plante, sich die Jacht auszuleihen und für einen wichtigen Zweck zu verwenden. Er wollte nach Stützpunkten der Roamer suchen,
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