Von Feuer und Nacht
gewesen, in dem sie Ruhe und Frieden fand. Er hatte sie an ihre Heimat Theroc erinnert. Jetzt musste sie bei dem Geruch würgen.
Was hat er getan?
Der einst so prächtige Garten war öde und braun. Pflanzen waren vergiftet oder verbrannt - an manchen Stellen hatte man sie ganz aus dem Boden gerissen. Alle Gewächse von Theroc waren verschwunden, unter ihnen auch die Fauldur-Beeren.
Sarein trat drei Schritte weit ins Gewächshaus und wandte sich an ihre Schwester. »Damit will er dich verletzen«, sagte sie voller Betroffenheit. »Ich habe es in seinem Gesicht gesehen. Er weiß, dass du zusammen mit Peter hinter dem Mordanschlag steckst. Er kann es nicht beweisen, aber das spielt keine Rolle für ihn.«
Estarra stockte der Atem. Ihr Blick galt noch immer den entwurzelten Pflanzen und ihren braunen, welk werdenden Blättern. Wie bei den Delfinen. Er zerstört etwas, das ich liebe. »Es ist nur der Anfang.«
Sarein trat zu ihr und schlang die Arme um ihre Schwester. Estarra fühlte ihr Zittern. Sarein flüsterte in ihr Ohr, damit niemand sonst ihre Worte hörte. »Ich habe an deiner Geschichte gezweifelt, aber jetzt weiß ich, dass du die Wahrheit gesagt hast. Basil ist nicht der Mann, für den ich ihn hielt - nicht mehr -, und ich fürchte das, was er als Nächstes tun könnte.«
»Der Vorsitzende will Peter und mich loswerden«, sagte Estarra.
»Da hast du vermutlich recht«, erwiderte Sarein nach einer kurzen Pause. Sie umarmte Estarra noch immer und schirmte sie vor dem Blick der Wächter an der Tür des Gewächshauses ab. »So wie ich die Sache sehe, musst du irgendwie von hier verschwinden.«
Estarra antwortete nicht. Konnten sie aus dem Flüsterpalast fliehen? Ja, es war möglich - Prinz Daniel hatte es geschafft. Wenn Peter und sie den Palast verlassen hatten, konnten sie unauffällige Kleidung tragen und in der Stadt untertauchen.
Peter hatte ihr von seiner Zeit als Straßenjunge erzählt. Estarra zweifelte nicht daran, dass sie imstande waren, dort draußen zu überleben und irgendwo Arbeit zu finden. Peter hatte damals zum Lebensunterhalt seiner Mutter und Brüder beigetragen. Natürlich konnten sie nicht erwarten, weiterhin in königlichem Luxus zu leben, aber Estarra war kein verwöhntes Kind und fühlte sich durchaus imstande, Entbehrungen zu ertragen. Ein Zucken in ihrem Bauch erinnerte sie daran, dass sie auch an ihr ungeborenes Kind denken musste. Sie fragte sich, ob die Niederkunft der Königin der Hanse in irgendeiner dunklen Gasse stattfinden würde.
»Wenn du Pläne schmiedest, so erzähl mir nichts davon«, sagte Sarein rasch. »Was ich nicht weiß, kann ich auch nicht verraten.«
Estarra sah ihre Schwester an. »Wenn wir zu entkommen versuchen, wird der Vorsitzende alle seine Möglichkeiten nutzen, um uns zu finden. Gibt es einen Ort auf der Erde, wo wir sicher sein können?«
»Auf der Erde gibt es keinen sicheren Ort. Aber vielleicht auf Theroc.«
»Dann komm mit uns, Sarein. Lass uns zusammen heimkehren.«
»Unmöglich.«
»Wie kannst du bei Basil bleiben? Du weißt, was für ein Mann er ist!«
»Ich weiß auch, was für ein Mann er war.« Sarein fügte rasch hinzu:
»Außerdem bin ich nützlicher, wenn ich als Stimme der Vernunft hier bleibe. Ich kann mit Basil reden und in schwierigen Situationen vermitteln.«
Estarra widersprach ihrer Schwester nicht. Sie sah sich noch einmal im verheerten Garten um und sagte dann mit gedämpfter Stimme: »Ich bin nie sicher, auf welcher Seite du stehst, Sarein. Ich dachte, du liebst Basil Wenzeslas.«
»Ich liebe ihn tatsächlich. Besser gesagt, ich habe ihn einmal geliebt. Oder vielleicht dachte ich nur, dass es Liebe ist. Aber du bist meine Schwester. Das ändert sich nie.«
111 KOLKER
Kolker war sehr überrascht, als er erfuhr, dass es im Prismapalast einen weiteren grünen Priester gab. Beziehungsweise eine grüne Priesterin. Sie kam zu ihm. »Uns verbindet etwas. Ich bin Nira.«
Er saß auf einer Bank, wo ihn buntes Licht durch ein prismatisches Fenster erreichte. Rasch stand er auf, sah die grüne Haut der Besucherin und schloss aus den Tätowierungen in ihrem Gesicht, dass es sich um eine Geschichtenerzählerin und Reisende handelte. »Wie sind Sie hierherge- kommen? Sind Sie ebenfalls gefangen?«
»Nein, ich bin nicht gefangen - nicht mehr. Und Sie auch nicht.«
»Ich bin so lange gefangen, bis ich einen Weltbaum berühren und erneut den Telkontakt fühlen kann. Es ist so lange her.«
Nira streckte ihm eine schwielige Hand
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