Von Flammen verzehrt
den Monitor aus den Augen zu lassen.
„Hast dem Nebelmann anscheinend ganz umsonst den Schwanz gelutscht“, bemerkte Paul hämisch grinsend, ehe er sich wieder dem Ego-Shooter zuwandte, der in regelmäßigen Abständen seinen Bildschirm rot einfärbte.
„Halt dein Maul, du Wichser!“
Zornig trat sie die Kellertür mit dem Fuß auf und floh hinauf auf die Straße.
Sie sollte eine Pause einlegen! Einfach gehen. So wie damals, als sie ihren Eltern davongelaufen war. Aber verdammt, sie wollte der Welt die Wahrheit bringen! Sie wollte diese verlogene Gesellschaft zum Einsturz bringen und sehen, ob aus der folgenden Gewalt und dem zwangsläufigen Chaos nicht eine neue und tolerantere Gesellschaft entstehen konnte. Eine, in der sie besser klarkäme und in der kein Platz für die verbohrten, engstirnigen Ansichten von biederen Spießbürgern wie ihren Eltern wäre.
Jade rieb sich die brennenden Augen. Die grellen Neonröhren und das tagelange Monitorgeglotze machten sie noch fertig. Missmutig wischte sie die Lidschattenspur am Finger an ihrer Jeans ab und ging die Straße entlang bis zum nächsten Coffeeshop.
Super! Eine endlose Reihe von Bürohengsten vor ihr. Mit einem Fluch setzte sie sich an einen der Tische und wartete auf die Bedienung, denn so würde das Koffein den Weg schneller zu ihr finden.
„Zwei große Kaffee, schwarz, ohne Zucker – zum Mitnehmen!“, murrte sie ihre Bestellung, ohne die Kellnerin anzusehen. Stattdessen betrachtete sie ihre abgekauten Nägel.
„Ich hab diesen Schwanz nicht umsonst gelutscht!“, flüsterte sie und verfluchte Paul, dass er ihre eigenen Gedanken ausgesprochen hatte.
„Warum benutzt du dein verficktes Handy nicht?“, fluchte sie weiter leise vor sich hin und biss den kleinen Fetzen Haut an ihrem Nagelbett ab, der sie störte.
„Musst du keine beschissene App runterladen oder dir ein Youtube-Video reinziehen? Keine Mails abrufen oder Pornos streamen?“
Jade kratzte sich den Kopf. Sie brauchte echt eine Auszeit! Sie führte schon Selbstgespräche! Ihr Kaffee kam. Achtlos warf sie den Geldschein auf den Tisch und griff sich die Becher.
Sie verbrannte sich die Lippe, als sie den ersten Schluck nahm, aber das störte sie nicht weiter. Was sie störte, war das fehlende Signal ihres Senders!
Sie brauchte das Signal, um nicht den einzigen möglicherweise Erfolg versprechenden Plan, die Wahrheit an sich zu bringen, aufgeben zu müssen.
Als sie die Stufen hinabstieg, tat das Koffein seine Wirkung, und Jade begann, sich besser zu fühlen. Sie würde nicht länger nur warten, sondern sich auf den Moment vorbereiten, an dem der Nebelmann sein Handy benutzen und der Sender, den sie ihm im Hotelzimmer an seinen Akku geklemmt hatte, seine Arbeit aufnehmen würde.
Mit neuem Elan, einem weiteren Schluck Kaffee und einem verächtlichen Blick auf Paul, der sich am Hals gerade einen Pickel ausdrückte, setzte sie sich wieder an ihren Rechner.
Sie grübelte einen Moment, dann flogen ihre Finger über die Tasten.
Der Tempel
Rom, heute
Ein mulmiges Gefühl beschlich Fay, als sie Julien, der sich die Kapuze seines Ledermantels über den Kopf zog, in die Metrostation folgte. Als Stipperin einer Bar in Bahnhofsnähe wusste sie, was für Typen sich für gewöhnlich an solchen Orten herumtrieben. Zwar dämmerte gerade erst der Abend, aber wie in den meisten Großstädten Europas war wahrscheinlich auch hier die kriminelle Energie im unterirdischen Tunnelsystem größer als auf offener Straße.
Das beste Beispiel dafür bot ihr in diesem Moment Julien, der sich, ohne zu bezahlen, über das Drehkreuz schwang und Fay grinsend die Hand reichte, damit sie ebenfalls einfach darüberklettern konnte.
„Wir werden noch verhaftet!“, schimpfte sie, folgte ihm aber.
„Das werden wir nicht. Unser ‚Freund‘ hat mit seiner Terrordrohung rund um das Colosseum für ‚Bombenstimmung‘ gesorgt. Du kannst dir sicher sein, dass sich jeder zu entbehrende Carabiniere der Stadt genau dort befindet.“
Sie erreichten den Bahnsteig in dem Moment, als der Zug einfuhr. Die Türen öffneten sich, und Menschen strömten geschäftig an ihnen vorbei, während sie selbst einstiegen.
Mit einer Hand hielt Julien sich an der Stange fest, mit der anderen umfasste er Fays Taille und zog sie an sich.
„Vom Tempel ist heute nur noch wenig erhalten. Einzelne gigantische Säulen, auf den Überresten des damaligen Sockels.“
Fay genoss es, seinen Körper, der sich durch die Geschwindigkeit der
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