Von Flammen verzehrt
Gefühle hinunter und nickte. Sie spürte seine Liebe, auch wenn er ihr diese nicht eingestehen wollte. Und wenn das alles vorüber sein würde, dann würde sie darum kämpfen!
Sie beeilten sich, weiterzukommen, aber das Gedränge der Touristen und Pilger hielt sie auf. Um den Petersplatz herrschte reges Treiben. Wie schon am Tag zuvor, als sie mit Cruz hier gewesen war, beeindruckte Fay auch heute die Größe des Platzes und die in der Sonne strahlende Basilika.
Julien bemerkte Fays Staunen, und, da sie ohnehin nur langsam vorankamen, erklärte er: „Der Petersdom wurde über dem Grab des Apostels Petrus errichtet und war damals viel kleiner. Er wurde erst später zu dem ausgebaut, was du hier siehst. Der Obelisk auf dem Vorplatz stammt aus den Überresten von Neros Circo , der diagonal unter und neben dem heutigen Dom lag.“
Fay schüttelte den Kopf und fasste ihre Locken erneut zu einem Zopf zusammen.
„Es ist eine unglaubliche Stadt, in der selbst unter der Oberfläche dieser geschichtsträchtigen Bauten und Plätze immer noch eine weitere Geschichte verborgen scheint. Wie bei einer Zwiebel. Je tiefer man gräbt, umso mehr Tränen möchte man vergießen, oder nicht?“
Julien lächelte.
„So ist die Welt, Fay. In den beinahe tausend Jahren, die ich nun lebe, war nur in den seltensten Fällen etwas genau so, wie es zuerst schien. Und nur selten verbirgt sich unter der Oberfläche etwas Gutes.“
Er drückte ihre Hand.
„Darum hast du mich so überrascht, Fay. Du hast versucht … und tust es noch immer …, dich vor mir zu verschließen und mich nicht wissen zu lassen, wie du wirklich bist. Trotzdem hatte ich vom ersten Moment an das Gefühl, dir bis auf den Grund deiner Seele blicken zu können.“
Fay zwinkerte und kicherte. Ein verführerischer Zug lag um ihren Mund.
„Das waren meine Brüste, Julien. Du warst so überrascht, weil du mir auf die Brüste geschaut hast.“
Sein tiefes Lachen verursachte Fay ein angenehm warmes Kribbeln im Magen. Sein gletschergrauer Blick ließ ihr Herz höher schlagen. Obwohl sie geahnt hatte, dass auch unter seiner Oberfläche etwas war, das ihr Tränen bereiten würde, hatte sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Noch nie hatte sich etwas zugleich so richtig und doch so falsch angefühlt.
„Vielleicht“, überlegte Julien grinsend. „war ich auch so verwirrt, weil ich nie zuvor Schöneres gesehen hatte?“
„Lügner!“, lachte Fay.
„Wie kannst du das sagen?“, fragte er gespielt entrüstet. „Ich bin ein Mann, der sein Leben der Wahrheit gewidmet hat!“
Als endlich die Pforte der Sixtinischen Kapelle vor ihnen lag, drängelten sie sich an den mürrischen Touristen vorbei, die seit Stunden anstanden, um ebenfalls in die vatikanischen Museen oder die kunstvolle Kapelle zu gelangen.
„Wir machen uns unbeliebt“, flüsterte Fay und klammerte sich an Juliens Arm, während der sich einfach durch die Menge schob.
„Lieber bei denen als bei unserem Gegenspieler“, gab er schlicht zurück und verneigte sich vor Fay, um nach ihr einzutreten.
Die kühle Luft war ein angenehmer Kontrast zu der Hitze des Nachmittags, und das Flüstern der staunenden und ehrfürchtigen Besucher klang wie das Murmeln eines Baches. Selbst Fays Puls schien, von Demut gedämpft, plötzlich viel ruhiger zu werden, und nur das laute Pochen ihres Herzens erinnerte sie an den Grund ihres Besuchs hier. Die kunstvolle Deckenmalerei und das mächtige, überwiegend in Blautönen gehaltene Wandgemälde, das den Tag des Jüngsten Gerichts zeigte, ließ sie fast vergessen, dass es eine Welt außerhalb dieser Mauern gab. Eine wahrhaft himmlische Ruhe ging von den Farben und Bildern Michelangelos berühmtester Werke aus.
Fay konnte den Blick nicht von der Szene der Erschaffung Adams über sich abwenden. Sie glaubte, beinahe selbst den Lebensfunken zu spüren, der durch Gottes Fingerzeig auf den unbekleideten und verletzlichen Mann überging.
„Ich kann nicht glauben, dass ein einziger Künstler das vollbracht haben soll“, hauchte Fay, als sie sich der Größe des vierzig Meter langen Freskos bewusst wurde.
Julien deutete nach oben.
„Dort, siehst du? Die drei Frauen auf dieser Seite und die zwei da drüben … das sind Michelangelos Sibyllen.“
Fay sah sich die einzelnen Frauen an, die Julien ihr gezeigt hatte. Sie unterschieden sich stark in ihrem Alter und ihrem Aussehen, hielten Bücher oder Schriftrollen in Händen und trugen weite fließende Gewänder. Im Hintergrund
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