Von ganzem Herzen Emily (German Edition)
auf dieser Hochzeit auch wohl. Was gibt es denn gegen heiße Bockwurst und Ananasspießchen zu sagen? Schmeckt doch köstlich, oder?
Um neun Uhr abends hatte der Vater der Braut sein Hemd ausgezogen, und alle tanzten zu
Come on, Eileen
. Sid, der irgendwo im Getümmel seine geliehene schwarze Anzugjacke verloren hatte und sie nicht wiederfand, wirbelte eines der Blumenmädchen herum. Sie hatte sich ganz klar in ihn verknallt, und es war ihr absolut egal, dass eines der anderen Blumenmädchen ungeduldig darauf wartete, ebenfalls mit ihm tanzen zu dürfen. Dreijährige sind da nicht besonders rücksichtsvoll, und deshalb zerrte eine die andere nach ein paar Minuten laut kreischend an Kleidern und Haaren. Ich fand die Szene quälend und fürchterlich, doch Sid reagierte gelassen, hob sie einfach hoch und tanzte mit beiden gleichzeitig, eine auf jeder Hüfte.
Ich stupste Juliet an, aber sie fingerte an ihrem Handy herum. »Lass uns auch tanzen.«
Sie rümpfte nur die Nase und tippte weiter.
Der DJ muss auf meiner Seite gewesen sein, denn in diesem Augenblick legte er
The Way You Look Tonight
auf.
Ich sprang auf. »Dazu müssen wir einfach tanzen!«
Wieder rümpfte sie die Nase. »Dazu? Das ist doch was für alte Leute.«
Ich starrte sie entsetzt an. »Aber es ist Frank Sinatra.«
Keine Reaktion von ihr, sie war weiter mit irgendeiner SMS beschäftigt. Doch bevor ich ihr wütend einen kleinen Stoß in die Rippen verpassen konnte, griff jemand nach meiner Hand.
Ich blickte hoch. Sid zog mich auf die Tanzfläche. »Ich tanze mit dir, Ro.«
»Okay«, flüsterte ich heiser und wäre fast über meine eigenen Füße gestolpert, so verwirrt war ich.
Wir fanden eine kleine Lücke zwischen einer Schar gackernder Tanten und einer Gruppe dreizehnjähriger Mädchen, die in raschelnden Kleidern herumstaksten. Beim Anblick von Sid bekamen sie alle rote Köpfe.
»Hübsches Kleid, Bex«, sagte er grinsend und fuhr mit einer Hand durch seine Haare.
Ich wusste sofort, welches Mädchen er gemeint hatte, denn das arme Ding schien einer Ohnmacht nahe. Nicht dass ich so viel cooler reagiert hätte. Als Sid mich nämlich jetzt nah zu sich heranzog und seinen Arm um mich legte, wurde mir auch ganz anders.
Es war das erste Mal, dass er mich berührte. Nicht mir spielerisch in die Seite boxte oder mich während eines Gigs am Ärmel zupfte, weil er mich über das Getöse der Band hinweg auf irgendetwas aufmerksam machen wollte. Sondern mich wirklich berührte. Ich spürte seine Hand auf meiner Hüfte liegen, sie fühlte sich heiß an, und als er mit der anderen nach meiner rechten Hand griff, waren seine Finger rauer als erwartet. Ich erinnere mich noch an den Schock, der mich durchfuhr, als ich die Hornhaut seiner Fingerkuppen in meiner Hand spürte. Bis dahin hatte ich um uns herum noch das Gegackere der Tanten und das Geraschel der Röcke von den miteinander tanzenden Mädchen vernommen, aber jetzt hörte ich nichts mehr als meinen eigenen Herzschlag. Mein Herz, das laut und ungestüm pochte.
Er musste gespürt haben, was in mir vorging, denn er lächelte. »Das kommt von der Gitarre.«
»Kenn ich«, sagte ich, und nach einer kurzen Pause: »Vom Cello.«
»Cello?«
»Na ja, ich bin nicht Rostropowitsch, aber ich hätte fast einmal in der Royal Albert Hall gespielt.«
»Wirklich?« Seine Augen weiteten sich, und die Pupillen wirkten auf einmal viel größer. »Und warum dann doch nicht?«
Ich dachte an meinen Vater, die Gerichtsverhandlung, die Zeitungsberichte, und in dem Moment wurde mir erst klar, was ich da gerade gesagt hatte.
»I-ich –«, fing ich an, und eine Stimme in meinem Kopf befahl mir, sofort meine Hand wegzuziehen, damit er nicht spürte, wie stark ich zitterte. Doch ich schaffte es nicht. »Es kam etwas dazwischen.«
Als ich mein Gesicht wegdrehte, fasste er meine Hand noch etwas fester, aber er fragte nicht noch einmal nach.
Den Rest des Songs sprachen wir kein Wort mehr. Als der DJ danach
Mack the Knife
auflegte, war ich mir sicher, dass Sid jetzt genug haben würde, aber er hielt mich weiter im Arm und wirbelte mich herum, und ich kicherte. Ich musste sogar kichern, als ein kleiner Junge auf den Knien an uns vorbeischlitterte. Sid lachte auch, und ich werde nie vergessen, wie sich das anfühlte, wie sein ganzer Körper davon vibrierte. Mein Herz schlug dabei so heftig, als würde ein Ball immer wieder gegen meinen Brustkorb prallen. Sid muss es auch gespürt haben.
»Warum Cello?«, fragte er und zog
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