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Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte

Titel: Von Hundert auf Gluecklich - wie ich die Langsamkeit wiederentdeckte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Graefin von Bruehl
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Grund. Im Durchschnitt arbeiten Angestellte nur 11 Minuten kontinuierlich an einer Aufgabe. Wer seine Arbeit unterbricht, arbeitet an zwei anderen Themen, bevor er sie wiederaufnimmt. Und nur drei Viertel der unterbrochenen Aufgaben werden am selben Tag wiederaufgenommen.«
    Jeder von uns kennt das. Wir führen ein Telefongespräch oder schreiben eine SMS – womöglich beides gleichzeitig –, und der Computer summt und macht uns darauf aufmerksam, dass wir eine E-Mail bekommen haben. Wir müssen unsere Tätigkeit unterbrechen. Im schlimmsten Fall klingelt es auch noch an der Haustür, und der Paketdienst bringt eine Lieferung. Wenn wir endlich wieder am Schreibtisch sitzen, wissen wir nicht mehr, wo wir stehengeblieben waren. Wir müssen wieder ganz von vorn beginnen.
    Nicht alle Unterbrechungen seien schlecht, so die Wissenschaftlerin Mark in ihrer Studie. Manche könnten |106| auch stimulieren und eine monotone Tätigkeit auflockern. Doch je häufiger jemand die Aufgabe wechsle und je mehr Projekte er oder sie gleichzeitig zu behandeln versuche, desto größer seien die Reibungsverluste, weil er jedes Mal eine gewisse Aufwärmzeit brauche, um sich wieder zu orientieren und weiterzuarbeiten.
    Zu den größten Stressfaktoren im Büro, zitiert Rauner die Studie, gehörten E-Mails und Instant Messaging, also Programme, mit denen Angestellte einer Firma sich Kurznachrichten schickten. Auf 40 Prozent der Mails, so konnte herausgefunden werden, reagierten die Mitarbeiter innerhalb von zwei Sekunden, aufgeschreckt durch den E-Mail-Gong oder ein Textfenster am Bildschirmrand. Neue Informationen drängen sich immer unmittelbar nach vorn und sind, wie schon erwähnt, so geartet, dass sie sofort unsere Aufmerksamkeit wecken.
    Doch es gibt Hoffnung. Technik hat die Unruhe in den Alltag gebracht, entsprechende Technik soll den Schaden nun wieder richten. Softwareentwickler arbeiten, so Rauner, an sogenannten elektronischen Türstehern, die erkennen sollen, ob jemand gerade unterbrochen werden möchte oder nicht – und das automatisch, ohne dass man eine Auszeit im elektronischen Kalender reservieren oder den Anrufbeantworter einschalten muss.
    Am weitesten ist diese Technik bei den Berufen fortgeschritten, in denen Multitasking lebensgefährlich werden kann, etwa im Verkehr oder beim Militär. Infanteristen, die im Straßenkampf nach Deckung suchen, können sich nicht gleichzeitig auf eine lange Durchsage in ihren Kopfhörern konzentrieren. Das amerikanische Militärforschungsinstitut DARPA experimentiert daher mit tragbaren Sensoren, die den Schweiß, den Puls und Gehirnströme |107| der Soldaten messen. Ein Minicomputer kombiniert die Daten und berechnet daraus eine Art kognitiven Stresszustand. In kritischen Situationen sollen einfache Signale nicht mehr per Sprechfunk, sondern über Vibrationsalarm am Gürtel übermittelt werden.
    Nicht weniger kritisch ist die Situation im Straßenverkehr. Wer überholt oder auf eine unübersichtliche Kreuzung oder einen Stau zufährt, sollte nicht ausgerechnet jetzt durch einen Anruf abgelenkt werden. Volvo bietet für Oberklassewagen ein Assistenzsystem, das Blinker, Motordrehzahl, Bremsen und Gaspedal überwacht und daraus auf die Verkehrssituation schließt. Setzt der Fahrer gerade mit Vollgas und Blinker zum Überholen an, hört der Anrufer ein Besetztzeichen. Außerdem werden Durchsagen des Navigationssystems oder optische Signale, wie der Hinweis auf niedrigen Benzinstand, für einige Sekunden unterdrückt.
    Eine Idee, die nicht jeden Autohersteller überzeugt. Bei BMW fürchtet man, der Fahrer könnte sich von einem derartigen elektronischen Schutzengel bevormundet fühlen. Die Forschungsabteilung Mensch-Maschine-Interaktion setzt daher darauf, dass nicht das Auto, sondern der Anrufer entscheidet, ob die Situation gerade passt. Auch hier wertet der Bordcomputer die Verkehrssituation aus. Anstatt Anrufe abzublocken, wird der Anrufer in diesem Fall jedoch automatisch über die Situation informiert. »Ihr Gesprächspartner befindet sich gerade in einer kritischen Verkehrssituation, soll der Anruf dennoch durchgestellt werden?«, könnte es dann heißen.
    Das alles sind sehr ausgefeilte und technisch aufwendige Möglichkeiten, doch man kann auch einfach individuelle |108| Tricks entwickeln, wenn man sich der ständigen Erreichbarkeit und den damit verbundenen Unterbrechungen entziehen will. Ein Hilfsmittel ist die Konzentration auf ein Medium oder auf eine bestimmte Technik, es zu

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