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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caprice Crane
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Columbia und studierte im Hauptfach Psychologie mit den beiden Nebenfächern unwiderstehliches Geschmunzel und zusammenhanglose Fröhlichkeit.
    Ich erinnerte mich genau an diese morgendliche Plauderei, als ich sieben Jahre später auf Cats Wohnung zuging. Wir waren mit Todd in der Prince Street zum Mittagessen verabredet, aber ich holte sie zu Hause ab, um mir die Umbauten, die Billy und sie vorgenommen hatten, ansehen zu können. Ich war ungefähr zwanzig Minuten zu früh dran und entschied, draußen zu warten, aber Cat sah mich durch ihr Bürofenster und winkte mich herein. Als ich die Tür öffnete, sah ich eine in Tränen aufgelöste Frau, die mich zornig anstarrte. Ich war sicher, dass ich Cat missverstanden hatte. Sie hatte mich sicher weggewinkt. Ich wollte gerade zurückweichen, da packte Cat mich am Arm.
    »Komm rein«, sagte sie. »Das ist Ruth.«
    »Hi Ruth«, sagte ich zu der finster blickenden Frau und umarmte Cat kurz.
    »Hallo«, sagte Ruth gestelzt.
    Cat trat von einem Fuß auf den anderen und lachte mich dann an. »Wie wäre es, wenn du mir für eine Sekunde helfen würdest?«, fragte sie in ihrer beschwingten Art, mit der sie ihre völlige Verzweiflung überspielte.
    »Ich?«, sagte ich. »Wie meinst du das?«
    »Ruth und ich machen gerade ein Psychodrama, und wegen unserer Vertrautheit kann sie sich nicht vorstellen, ich sei ihre Mutter. Könntest du nicht kurz Ruths Mutter spielen? Es wird nur ein paar Minuten dauern.«
    »Klar!« Ich zuckte mit den Schultern. »Ich denke …?«
    »Großartig«, sagte Cat. Als Ruth hinausging, um sich Wasser zu holen, kam sie näher und flüsterte: »Was auch immer passiert, hör einfach zu und sag, dass es dir leidtut. Ich mach den Rest.« Nachdem Ruth zurück war, erklärte sie: »Du stehst hier, und, Ruth, erzähl deiner Mutter jetzt, was du empfindest.«
    »Okay«, sagte sie. »Du bist hier … als meine Mutter …« Ich stand da und wartete. Ruth sah mich an, und ihr Kinn begann zu zittern. Sie sah so aus, als wäre sie nahe dran, etwas zu sagen, dann hörte sie wieder auf und fing an zu weinen.
    »Wo warst du?«, sagte sie.
    Da standen wir. Ich sah sie an, und sie sah mich an, und ich wusste nicht, was ich jetzt sagen durfte und was nicht. Ich schaute zu Cat hinüber, und Ruth stampfte mit dem Fuß auf.
    »Sieh mich an, ich habe dir eine Frage gestellt. Wo warst du?«, schrie sie.
    »Ich – ich weiß es nicht«, sagte ich zögernd. »Aber, es tut mir leid, dass ich nicht da war, wo auch immer ich hätte sein sollen.«
    »Fußballtraining. Du hast vergessen, mich abzuholen. Trainer Bidwall musste mich mit zu sich nach Hause nehmen, bis er dich ausfindig gemacht hatte, und das mehr als einmal. Weißt du, was das für ein Gefühl ist, darauf zu warten, abgeholt zu werden, und mitzubekommen, wie alle anderen Eltern kommen, um ihre Kinder abzuholen, und man selber keinen hat, der einen holt?« Sie streckte ihr Kinn in meine Richtung heraus. Ich war nicht sicher, ob von mir eine Antwort verlangt wurde.
    »Weißt du das?«, jammerte sie und zog an ihren Haaren, während Rotz aus ihrer Nase auf die Oberlippe lief.
    Ich wollte einfach nur mit meinen Freunden Mittag essen gehen. Plötzlich wurde mir vorgeworfen, ich hätte vor zwanzig Jahren vergessen, jemanden beim Fußballtraining abzuholen. Ich könnte jetzt behaupten, dass ich die Situation im Griff hatte, aber das wäre gelogen. Meine typische Position ist am Spielfeldrand, passiv, eher alles geschehen lassen, als es geschehen machen. Ich versuchte hier ganz die typische Jordan zu spielen. Aber plötzlich war ich nicht ich, sondern Ruths heruntergekommene Mutter. Ich ignorierte Cats Anweisungen und sprach.
    »Ruth«, sagte ich, ohne zu wissen, wohin das führen würde. Dann kam mir Dirks Lieblingssatz in den Sinn.
    »Können wir nicht einfach anfangen zu vergeben und vergessen?«, fragte ich mit einem schwachen Lächeln. Ich hoffte, die ganze Szene damit ein wenig zu entschärfen.
    »Ich vergebe dir nicht«, fauchte sie. »Jede Unsicherheit, die ich bis heute empfinde, hast du zu verantworten. Und, der Ordnung halber, ich habe Tofu und Lebertran auf Bagels immer gehasst. Warum konnte ich nicht einfach Frischkäse drauf haben wie jedes andere Kind?«
    Sie starrte mich wütend an. Ich war die Fleischwerdung von Ruths heruntergekommener Mutter, was mich mit einem eigentümlichen Stolz und einem gewissen Verantwortungsgefühl erfüllte. Ein Fußballtraining zu vergessen war die eine Sache – aber pures Tofu

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