Von Kamen nach Corleone
Polizeikontrolle vor der Beerdigung der beim Weihnachtsattentat ermordeten Maria Strangio geschossen hatte. Bei der darauffolgenden Verfolgung schoss ihm die Polizei ins Bein. Auch darüber hatte Giovanni Strangio seine getreuen Pizzabäcker in Kaarst informiert. Wenige Tage nach den Morden sagte Antonio Rechichi bei seiner Vernehmung aus:
Es stimmt nicht, was ich gestern gesagt habe, also dass ich Giovanni Strangio nicht gesehen habe. Ich habe ihn gesehen, und zwar am 9. oder 10. August. Es war so: Gegen 15 Uhr rief Giovanni Strangio Domenico Nirta in Tonis Pizzeria auf seinem Handy an. Er sagte zu Domenico, dass er und ich nach der Arbeit sofort in seine Wohnung am Siepbach kommen sollten. Später am Abend sind wir also in Giovannis Wohnung gegangen, der dort allein war. Wir sprachen etwas über die Arbeit im Lokal, über die Einnahmen und so weiter. Und natürlich haben wir auch über San Luca gesprochen. Besonders über den Grund, weshalb er mit der Waffe zur Beerdigung gegangen war. Er sagte, dass eigentlich beschlossen worden sei, dass nur die Frauen an der Beerdigung teilnehmen und die Männer zu Hause bleiben sollten. Aber dann habe man sich anders entschieden, die Männer sollten auch an der Beerdigung teilnehmen, und aus dem Grunde habe er die Waffe mitgenommen, weil er befürchtete, dass es auf der Beerdigung zu einem weiteren Attentat kommen würde. Als er mit dem Auto zum Friedhof fuhr, habe die Polizei sein Auto anhalten und ihn kontrollieren wollen. (...) Er habe das Auto blockiert, weil er zu Fuß flüchten wollte. Er befürchtete, dass die Polizeibei der Kontrolle seine Pistole entdecken würde. Die Polizei schoss ihm ins Bein und nahm ihn fest.
Und schon zwei Monate vor den Morden hatte Giovanni Strangio aus dem Gefängnis in Reggio Calabria an seinen Mitarbeiter Domenico Pizzata in Kaarst geschrieben, offen bar getrieben von der Sorge, was aus seinen Pizzabäckern nach einem Blutbad würde:
Lieber Freund Domenico, ich hoffe, dass Du und Deine Familie sich bester Gesundheit erfreuen, wenn Dich dieser Brief erreicht. Mir geht es gut, auch wenn Ihr mir alle sehr fehlt. (...) Wie steht es mit der Arbeit? Was meinst Du, arbeiten die Jungs weiter in Tonis Pizza, wenn etwas passiert, oder meinst du, dass sie weggehen? Das ist ein Gedanke, unter dem ich sehr leide. Sprich mit ihnen, ich glaube, sie müssen sich vor nichts fürchten, was meinst du. Danke für alles, was Du machst. In ein paar Tagen bekomme ich Hausarrest. (...) Und wie steht es mit dem San Michele? Was macht der kleine Luca? Arbeitet er wie immer oder träumt er? Bleibt Giuseppe Nirta da, um zu arbeiten? (...) Was willst Du mit der Wohnung machen? Ich dachte, dass es gut wäre, sie für sechzigtausend zu kaufen, wenn wir bar bezahlen, was meinst Du, so sparen wir dreißig an Zinsen. (...) Mach, wie es Dir richtig erscheint. Jetzt muss ich aufhören, Grüße Deine Frau, und gib deinem Kleinen einen Kuss. Bis bald, ›wenn Gott will‹.
Der »kleine Luca« Liotino mietete bald darauf bei Europcar den schwarzen Renault Clio mit Hamburger Kennzeichen, in dem die Täter nach der Flucht flohen. Und derim belgischen Gent gefunden wurde, mitsamt Schmauchspuren und der berühmten Spur dreizehn, der DNA-Spur, die Giovanni Strangio zum Verhängnis werden sollte.
Die Tatsache, dass Giovanni Strangio einen seiner Mitarbeiter aus Kaarst damit beauftragte, das Fluchtauto zu mieten, sei eine Idiotie sondergleichen gewesen, sollte sein Komplize Giuseppe Nirta später im Gefängnis im toskanischen San Gimignano verkünden – und das ausgerechnet dem sizilianischen Mafioso, Vincenzo Consoli, der sich kurz darauf in einen Ruchlosen verwandelte, wie es die Mafia nennt, wenn ein Mafioso abtrünnig wird.
Als Kronzeuge offenbarte der Sizilianer den kalabrischen Staatsanwälten, wie sehr Giuseppe Nirtas Eitelkeit darunter gelitten hatte, dass stets Giovanni Strangio in den Medien als Haupttäter des Blutbades von Duisburg genannt wurde. Er selbst, Giuseppe Nirta, sei es gewesen, der die »Schießerei« bis ins Detail geplant habe. Verhaftet worden sei er nur aufgrund der Dummheit seiner beiden Schwager, Giovanni Strangio und Francesco Romeo.
Letzterer habe nicht mal gemerkt, dass er in Amsterdam beschattet wurde und so die Fahnder bis zur Wohnung führte, in der sich auch Giovanni Strangio befand. Und weil Francesco Romeo während der Morde Fehler begangen habe, die aber glücklicherweise von der deutschen Polizei nicht entdeckt worden
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