Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Von Kamen nach Corleone

Von Kamen nach Corleone

Titel: Von Kamen nach Corleone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reski Petra
Vom Netzwerk:
Mafia keineswegs nur ein Problem rückständiger süditalienischer Dörfer war, sondern auch deutsche Realität.
    Italiener pflegen eine sehr romantische Vorstellung von der Effizienz des deutschen Rechtsstaates, sie überhöhen ihn geradezu auf mythische Weise. Ah, la Germania!, sagen sie, wenn sie bemerken, dass ich Deutsche bin. Sie preisen die deutsche Rechtssicherheit und den ausgeprägten deutschen Bürgersinn und werden nicht müde, die hohen moralischen Ansprüche zu rühmen, die jeder Deutsche an sich selbst stelle. Sie beginnen mit dem legendären Stück Papier, das kein Deutscher auf die Straße fallen ließe, und enden mit der Parabel von den Bonusmeilen, die in Deutschland Politiker zu Fall gebracht hatten. So etwas nenne man Unbestechlichkeit!, sagen sie. Und ich möchte diesen Eindruck keineswegs trüben, wie jeder Emigrant neige auch ich dazu, mein Heimatland zu verklären. Je länger ich in Italien lebe, desto sauberer, unbestechlicher und pünktlicher wurde Deutschland für mich. Wenn ich in Deutschland an einem öffentlichen Park vorbeikomme, starre ich ihn an wie eine Erscheinung. Ich kann nicht fassen, dass auf der ganzen Wiese kein einziges Stück Papierliegt. Keine Pappkartons. Keine leeren Lenorflaschen. Keine aufgeplatzten Mülltüten. Keine alten Matratzen. Keine ausrangierten Kühlschränke. Sondern dass da einfach nur eine grüne Wiese ist. Auf der man spazieren geht.
    Alle italienischen Fernsehzuschauer wären von Deutschland enttäuscht gewesen, wenn ich erzählt hätte, dass die Düsseldorfer Landesregierung versuchte, der Mafia Herr zu werden, indem sie die Augen vor ihr verschloss. Die SPD-Opposition im Düsseldorfer Landtag hatte zwei Jahre nach dem Massaker von Duisburg eine Große Anfrage zum Thema »Bedrohung Nordrhein-Westfalens« an die Landesregierung gestellt.
    Und in dem ihm eigenen amtlichen Duktus hatte das Düsseldorfer Innenministerium verkündet: »Der mit der Großen Anfrage erweckte Eindruck, die Tötungsdelikte zum Nachteil von sechs italienischen Staatsangehörigen am 1 5. 8. 2007 in Duisburg, deren Opfer und mutmaßliche Täter der kalabrischen Organisation der sogenannten ’Ndrangheta angehören, seien Ausdruck bisher unterschätzter krimineller Aktivitäten der italienischen Mafia in Nordrhein-Westfalen (NRW), ist unzutreffend. Es liegen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Ausmaß, Erscheinungsformen und Gefährdungspotenziale der italienischen OK in NRW grundlegend von denen in anderen Ländern unterscheiden.« Und weiter hieß es: »Dem Landeskriminalamt liegen auch keine Beweise dafür vor, dass Gruppierungen der italienischen OK in NRW ebenso tief in der Gesellschaft verwurzelt sind, wie dies von der Antimafiakommission des italienischen Parlaments sowie den italienischen Sicherheitsbehörden dargestellt wird.«
    Auf die Frage, wie die Landesregierung die Zukunft der nationalen und internationalen Ausbreitung der Mafia einschätze, stellte sie fest: »Die Landesregierung hat keineAnhaltspunkte dafür, dass der Standort Deutschland eine besondere Attraktivität für eine zukünftige nationale Ausbreitung der italienischen OK aufweist.«
    Ich fragte mich, ob sich dahinter Wunschdenken oder Zynismus verbarg. Die einunddreißig Seiten lange Antwort der Düsseldorfer Landesregierung erinnerte mich an jenes ferne Italien, in dem die Mafia noch geleugnet werden konnte. Als der Boss Gerlando Alberti in den siebziger Jahren in Mailand verhört wurde, fragte er: »Mafia? Was soll das sein? Eine Käsesorte?« Der Boss wusste, dass die Norditaliener damals noch glaubten, gegen die Mafia gefeit zu sein. Sie galt ausschließlich als Geißel Süditaliens – so wie sie in den Augen der nordrheinwestfälischen Landesregierung offensichtlich ausschließlich als Plage Italiens betrachtet wird.
    Rauschgifthandel in Zeiten der Globalisierung? Des Internets? Des abhörsicheren Skypes? All das scheint für die Landesregierung Nordrhein-Westfalen unbekannt zu sein. Da ist die Mafia immer noch ein in archaische Blutfehden verstrickter Geheimbund süditalienischer Schafhirten: »Eine verstärkte Ausnutzung der durch die Digitalisierung aller gesellschaftlichen und individuellen Lebensbereiche, insbesondere die Ausbreitung des Internets und das Verschmelzen von Kommunikations- und Informationstechnologie für die Erscheinungsformen italienischer organisierter Kriminalität ist bisher nicht festgestellt worden.« Und die Frage, wie viele Restaurants der Clans Pelleottari und

Weitere Kostenlose Bücher