Von Liebe und Gift
zurückdenken.
„Deswegen läuft man aber nicht weg“, konterte Neal. Er zog an seiner Zigarette, als könne er von dem Nikotin nicht genug bekommen. Allmählich wurde er wieder wacher.
„Du bist feige“, hörte Gero ihn sagen. „Ich will so etwas nicht noch einmal erleben, hörst du? Das war das erste und einzige Mal, dass so etwas vorgekommen ist, ja?“
Als Neal diese Worte aussprach, kam er sich selbst ganz schäbig vor. Er wollte Gero keine Vorschriften machen. Er wollte ihn nicht in die Enge treiben, doch es ging nicht anders. Neal wusste sich nicht mehr anders zu helfen. Es war, als glitt ihm alles aus den Händen, alles verlief anders als geplant …
„Ich werde mich zusammenreißen“, beteuerte Gero, aber seine Mundwinkel zuckten dabei. Erneut hätte er weinen können. War er es selbst, der dies sagte? Oder ein willenloser Geist, der ihm das diktierte?
Eine Träne löste sich, und dann war Neal da. Sein Atem war warm und flehend. Er küsste die Träne von Geros Wange und strich ihm dann über den Körper.
„Lass uns kuscheln und das alles vergessen, ja?“, flüsterte er in Geros Ohr. Der nickte.
Still zog er sich aus. Er wagte nicht, Neal dabei anzusehen. Dessen dürrer Körper machte ihm Angst. Erst, als das Licht erloschen war, und er Neals sanfte Küsse auf seinem Mund spürte, konnte er sich wieder entspannen.
Er erwachte früh am Morgen. Vorsichtig befreite er sich von dem knochigen Arm, der ihn umklammerte. Als er auf die kaputte, entzündete Haut des Armes sah, wurde ihm schlagartig übel. Still und unbemerkt kroch Gero aus dem Bett, zog sich an, um kurz darauf leise das Zimmer zu verlassen.
Erst in der Küche konnte er richtig durchatmen. Er setzte Kaffee auf. Dann stellte er sich vor das Fenster und sah verträumt hinaus.
Bilder vergangener Tage kamen ihm in den Sinn. Er dachte an damals, an die erste Nacht mit Neal. Er dachte daran, wie Neal ihn verführt hatte, wie es ihn erregt hatte. Deutlich sah er vor sich, wie sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Es war so unendlich schön gewesen …
Vor Geros Augen verschwommen die Bilder. Tränen schossen in seine Augen. Schnell wischte er sie ab. Was war bloß aus ihnen geworden? Betrübt schüttelte er den Kopf.
Wieder musste er an den vergangenen Abend denken. Unglaublich, dass so etwas geschehen konnte.
Er goss sich Kaffee in eine Tasse und sah dann wieder aus dem Fenster. Er wäre mit Sicherheit noch weiteren Tagträumen nachgehangen, wäre da nicht plötzlich diese Stimme gewesen.
„Na, schon wach?“
Gero erschrak entsetzlich, ließ dabei seine Tasse fallen. Laut klirrend fiel sie zu Boden. Völlig perplex drehte er sich um.
„Neal? Ich dachte, du schläfst noch?“
Sein Freund kam näher. Er trug wieder das dunkle Hemd, welches nicht vollständig zugeknöpft war, so dass Gero auf seinen schlanken Hals und den oberen Ansatz seines mageren Oberkörpers sehen konnte.
„Wie du siehst, schlafe ich nicht mehr. - Habe ich dich etwa erschreckt?“ Er sah auf die kaputte Tasse, dann kam er auf Gero zu, um ihn direkt ins Gesicht zu sehen. „Du zitterst ja. Was ist los mit dir? Du hast doch wohl keine Angst vor mir?“
Gero schluckte. „Nein, nein.“ Er wich Neals Blick aus, und widmete sich dann dem Brot, das auf dem Küchentisch lag. „Möchtest du auch was essen?“, fragte er, um vom Thema abzulenken.
Neal betrachtete das Brot und die Marmelade einen Moment. Hatte er Hunger? Er konnte sich die Frage nicht wirklich beantworten. Und als er sich vorstellte, das trockene Brot hinunter schlucken zu müssen, krampfte sich sein Magen unwillkürlich zusammen.
„Nein, danke“, lehnte er somit ab. Stattdessen nahm er sich eine Tasse aus dem Schrank, um sich einen Kaffee einzuschenken.
Gero schmierte sich ein Brot, und seine Hände zitterten noch immer dabei. Doch bevor er zu essen anfing, säuberte er den Boden von dem kaputten Porzellan und dem verschütteten Kaffee. Er war gerade dabei den Boden zu wischen, als Thilo in die Küche sah.
„Was ist hier denn los?“, fragte er verblüfft.
„Ich hab was runtergeworfen“, gestand Gero sofort. Sein Gesichtsausdruck war ernst, und Thilo bemerkte sofort die eigenartige Stimmung, die herrschte.
„Habt ihr Ehekrach?“
Neal zuckte mit den Schultern. Gero antwortete gar nicht. Stattdessen legte er Feger und Schaufel beiseite und säuberte den schmutzigen Lappen, mit dem er den Boden gereinigt hatte.
„Er scheint sauer zu sein, weil ich euer
Weitere Kostenlose Bücher