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Von Mäusen und Menschen

Von Mäusen und Menschen

Titel: Von Mäusen und Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Steinbeck
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man gewöhnt sich dran, zu-46
    sammenzugehören, und man kommt nich mehr los von-einander.«
    »Er is nich bösartig«, sagte Slim. »Das kann man gut sehen, daß Lennie nich bösartig is.«
    »Allerdings nich. Aber er kommt immerfort ins Un-glück, weil er so verdammt blöd is. So wie die Geschichte in Weed …« Er unterbrach sich, gerade wie er dabei war, eine Karte umzudrehen. Er sah beunruhigt drein und blickte scharf zu Slim hinüber. »Du sagst es doch niemandem?«
    »Was hat er in Weed angestellt?« fragte Slim ruhig.
    »Du sagst es doch niemand – nein, das tuste doch nich.«
    »Was hat er in Weed angestellt?« fragte Slim noch einmal.
    »Also, er hat ’n Mädel gesehn mit ’n roten Kleid. Blöd, wie der Bastard is, will er alles anfassen, was ihm gefällt.
    Muß alles anfühlen. So streckt er die Hand aus, um das ro-te Kleid anzufühlen. Das Mädel stößt ’n Schrei aus, und Lennie wird ganz konfus und hält an dem Kleid fest, weil das das einzige is, woran er denken kann. Na ja, und das Mädel schreit und schreit. Ich war ’n Stückchen weiter und hör das Gekreisch und so komm ich gerannt. Lennie is so verdattert, daß er nix weiter denken kann, als immer noch festhalten. Ich geb ihm eins auf’n Kopf mit ’n Zaun-pfahl, damit er loslassen soll. Er war so außer sich vor Schreck, daß er das Kleid nich loslassen konnte. Un er is so verdammt stark, du weißt ja.«
    Slims Augen schauten ruhig und unentwegt gradaus.
    »Was dann?«
    George legte sorgsam eine Reihe in seinem Spiel aus.
    »Also, das Mädel stürzt zum Gericht und erzählt, sie wäre überfallen worden. Die Burschen von Weed bilden einen Trupp und ziehen los, um Lennie zu lynchen. Und wir sitzen den lieben langen Tag in einem Bewässerungsgraben.

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    Bloß unsre Köpfe stehn aus ’m Wasser raus, wir halten se unter ’m Gras, das an der Seite aus dem Graben raus-wächst. Und in der Nacht sind wir auf und davon.«
    Slim saß noch einen Augenblick schweigend da. »Hat dem Mädel nichts getan, was?« fragte er schließlich.
    »Zum Teufel, nein. Hat se bloß erschreckt. Ich würde auch ’n Schreck kriegen, wenn er mich anfaßte. Hat ihr aber gar nichts getan. Wollte bloß das rote Kleid anrühren, so wie er immerfort die Hundejungen streicheln will.«
    »Er is nich bösartig. Wenn einer bösartig is, seh ich’s ihm ’ne Meile weit an«, sagte Slim.
    »Freilich nich. Und verflixt, er wird alles tun, was ich …«
    In diesem Augenblick kam Lennie durch die Tür herein.
    Er trug seinen Drillichanzug über die Schulter gehängt wie eine Pelerine und ging gebückt.
    »He, Lennie«, sagte George, »wie gefällt dir jetzt das Junge?«
    Atemlos erwiderte Lennie: »Es is braun un weiß, genau wie ich’s gerne wollte!« Er ging direkt auf seine Schlafstelle zu und legte sich hin, das Gesicht gegen die Wand, die Knie hochgezogen.
    George legte seine Karten mit deutlicher Handbewegung nieder. »Lennie«, sagte er scharf. »Hab dir doch gesagt, daß du das Junge hier nich reinbringen darfst.«
    »Was für ’n Junges, George? Hab doch kein Junges.«
    George ging schnell zu ihm, packte ihn an der Schulter und drehte ihn zu sich um. Dann reichte er hinüber und holte das winzige Junge von der Stelle, wo Lennie es an seinem Bauch versteckt hatte.
    Ungestüm setzte Lennie sich auf. »Gib’s mir wieder, George!«
    George sagte: »Sofort stehst du auf und bringst das Junge zum Lager zurück. Es muß bei der Mutter schlafen.
    Willste’s umbringen? Gestern abend geboren, und du 48
    nimmst’s raus aus dem Nest! Du bringst es zurück, oder ich sag Slim, daß er’s dich nich haben läßt.«
    Lennie streckte die Hände flehend aus. »Gib’s mir, George. Werd’s zurückbringen. Hab nichts Böses vorge-habt, George. Ehrlich nich. Wollte’s bloß ’n bißchen streicheln.«
    George gab ihm das Tierchen zurück. »Na schön. Du bringst’s aber gleich wieder hin un nimmst’s nich mehr weg. Im Handumdrehen is es sonst tot.« Damit trippelte Lennie aus der Stube.
    Slim hatte sich nicht gerührt. Seine ruhigen Augen folg-ten Lennie zur Tür hinaus.
    »Jesus«, sagte er, »er is wie ’n Kind, was?«
    »Freilich is er wie ’n Kind. Is auch so harmlos wie ’n Kind, bloß mit dem Unterschied, daß er so stark is. Wetten, daß er heut nacht hier nich zum Schlafen kommt? Er wird da draußen in der Scheune dicht neben dem Stall schlafen. Na, lassen wir ihn. Er kann da nichts Schlimmes anstellen.«
    Draußen war es fast ganz dunkel geworden. Der alte Candy, der

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