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Von Moerdern und anderen Menschen

Titel: Von Moerdern und anderen Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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diesen Mahnke vor ‘n Zug gestoßen – bon! Zehn Zeugen haben wir nun schon, mit dem Zugabfertiger sind’s sogar elf. Was soll ‘n da dein Opa noch?» Mannhardt wollte offenbar Mittag essen.
    Doch Koch blieb hart. «Na, paß mal auf! Da sitzt er ja schon… Ich darf vorstellen: Herr Palowsky, Herr Kriminaloberkommissar Mannhardt…»
    Mannhardt wehrte ab. «Is ja gut, is ja gut! Bleiben Sie doch bitte sitzen, Herr Palowsky… Was…» Er brach unwillkürlich ab, da in dieser Sekunde der Zugabfertiger wieder ans Mikrophon trat und seine Stimme weithin erschallen ließ.
    «Was haben Sie denn nun gesehen: daß der eine den anderen runtergestoßen hat?»
    «Nein – wieso?» Palowsky war verwirrt.
    «Aber ich denke…?»
    «Nein, Herr Palowsky hat oben vor C & A gestanden und auf seinen Enkel gewartet», half Koch aus.
    «Der wollte sich ein Paar Jeans kaufen, ja.» Palowsky faßte langsam Tritt. «Und da seh ich, daß da hinten ein Mann aus dem U-Bahneingang rausgerannt kommt… Wer rennt denn heute schon die Straße lang? Und irgendwie ganz aufgelöst… Helles Hemd, schlank, so Anfang Dreißig. Erst tauchte er da in der Menge unter, ich meine: da vor dem Eingang vom Kaufhaus, dann seh ich ihn wieder, wie er drüben in der Augsburger Straße in einen Wagen steigt und wegfährt…»
    Der Zugabfertiger hatte einen neuen Höhepunkt erreicht. «Rathaus Steglitz – zurückbleiben – zurückbleiben!»
    «… und da kommen auch schon welche hinter ihm hergerannt, die Joachimsthaler Straße lang», ergänzte Palowsky.
    «Die Autonummer – die haben Sie aber nicht zufällig…?» fragte Mannhardt.
    «Ohne Brille? Und dann ging’s ja auch so schnell, der Wagen war ja gar nicht abgeschlossen – das ist ja das Komische dran. Wer läßt heute schon sein Auto stehen und schließt nicht ab?»
    «Was war’s denn für ‘ne Marke?»
    Das wußte Palowsky. «Dieselbe, die mein Sohn fährt: ‘n roter Passat, so ‘ne Farbe wie… wie – der da drüben!»
    «Phoenixrot», sagte Koch.
    «Ja, phoenixrot, und ‘n Berliner Kennzeichen.»
    Czapalla hatte die elektrische Stichsäge eingeschaltet, um die letzten Bretter für sein Bücherregal auf die passende Länge zu bringen. Von Jugend an in der Gewerkschafts- und Betriebsratsarbeit groß geworden, hatte er von Engels’ Studie Die Lage der arbeitenden Klasse in England biszur ‘ran-Publikation, Band 3: In unseren Betrieben – so ziemlich alles parat, was ihn und seine Kollegen anging. Er legte die Säge beiseite und griff zur Feile. Während er die Bretter glättete, pfiff er leise vor sich hin. Durch Berlin fließt immer noch die Spree… Die Haustürklingel unterbrach ihn.
    Czapalla warf die Feile auf den Tisch und schrie nach unten: «Moment…» Während er die Treppe hinunterstieg, wurde draußen noch einmal kurz auf den Klingelknopf gedrückt. «Ja doch!» Endlich war er unten und öffnete die Tür.
    Draußen stand der Mann, der sich Klatt nannte, jetzt tadellos gekleidet, beigefarbener Sommeranzug mit passender Krawatte. «Pardon, Herr Czapalla, ich hoffe, Sie weder beim Essen noch bei der Mittagsruhe gestört zu haben – mein Name ist Klatt, und ich komme vom Gewerblichen Fern-Lehrinstitut Frankfurt… Sie hatten sich vor einiger Zeit schon einmal bei uns, beim GFL gemeldet?»
    Czapalla erinnerte sich. «Ja… Meine Frau hat wohl mal…»
    Klatt spulte sein Garn ab. «Sie wissen ja – wahrscheinlich besser als ich –, was heute der sicherste Schutz gegen die drohende Arbeitslosigkeit ist: Fachwissen, eine qualifizierte Ausbildung. Und da bin ich nun in der glücklichen Lage, Ihnen heute unseren neu entwickelten Lehrgang zum Industriemeister – Eisen- und Metallberufe – vorstellen zu können…» Er öffnete seine Aktentasche und zog eine Broschüre heraus.
    «Ja…» Czapalla war unschlüssig. «Ich wollt ja schon lange mal, ich hab ja auch schon mal angefangen gehabt…» Er bemühte sich um ein sauberes Hochdeutsch. «Dann ist das aba mit dem Haus hier zwischengekommen…»
    «Aber das haben Sie ja nun bestens hingekriegt, Herr Czapalla – ein Schmuckstück! Und jetzt ist die Zeit doch wieder da, mal anständig was für das berufliche Weiterkommen zu tun…»
    «Hier is noch genug zu murksen…»
    Klatt ließ nicht locker. «Keine Angst, Herr Czapalla; unser Programm ist didaktisch so gut aufbereitet – führende Lernpsychologen haben daran mitgearbeitet –, daß Ihnen immer noch genügend Freizeit bleibt – bei vollem Erfolg! Und den garantieren wir Ihnen.

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