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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Leuten im Regierungssessel stets ein Dorn im Auge. In Europa hatten Sinti, Roma, wandernde Gesellen oder Zirkusleute immer den Ruf, Halsabschneider zu sein. „Darmošlap“, nennt man sie in den slawischen Sprachen: Leute, die keine Spur hinterlassen. Einmal reiste ich mit einem kleinen Zirkus – Mama, Papa, drei Kinder und einer Handvoll Tiere –, ein anderes Mal begleitete ich Zimmerleute auf der Walz. Dabei habe ich genug Vorurteile gegenüber nomadisch lebenden Menschen erlebt, dass es für den Rest meines Lebens reicht. In der Inneren Mongolei verbrachte ich Zeit mit den Erben des Dschingis Khan, die von der chinesischen Zentralregierung zur Sesshaftigkeit gezwungen wurden, unter der fadenscheinigen Begründung, ihre Herden sorgten für die Sandstürme, die Peking im Sommer mit einer zentimeterdicken Staubschicht bedecken. Südafrika, Botsuana und Namibia haben den Khoi San das Umherziehen untersagt, was sich zu einem Völkermord auswuchs. In der Sesshaftigkeit verloren die ehemaligen Nomaden jeden Lebensmut.
    Das waren die Umstände, gegen die Johan von Bomel seit vielen Jahren kämpfte. Er schien die Kraft der zwei Herzen zu haben oder den Beistand des himmlischen Vaters, und als ich ihn fragte, was denn nun zuträfe, überraschte mich seine Antwort wenig.
    „Eines Tages“, erzählte er, „sprach Gott zu mir. Er sagte, geh nach Tsumkwe. Dort wartet deine Aufgabe auf dich.“
    Ich hege ein gewisses Misstrauen Menschen gegenüber, denen auf Schritt und Tritt der Allmächtige begegnet, um ihnen Ratschläge zu geben. Wer erinnert sich nicht mit Schrecken an George W. Bush, den unglückseligen amerikanischen Präsidenten, der behauptete, seine Befehle von ganz oben erhalten zu haben? „Marschiere in den Irak ein, George, mein Junge. Schick deine Armeen direkt dorthin. Gehe nicht über die UNO. Radiere ein paar Völker aus, denn sie hocken auf dem Erdöl, das die Autos deiner Untertanen antreibt.“
    Bei Johan van Bomel war es anders. Er ließ nicht erledigen, er erledigte selbst. Gott hatte zu ihm gesagt, beweg deinen Hintern ans Ende der Welt, lebe in einem Haus, das andere nicht geschenkt haben wollen, und hilf denen, denen kaum mehr zu helfen ist. Er hatte nicht gekniffen. Davor zog ich meinen Hut.
    „Da draußen gibt es 37 Dörfer der Khoi San“, sagte Johan, „aber alleine findest du keines.“
    Wir kurvten seit Stunden durch die Gegend, während der Missionar mir erklärte, dass dies der Schulweg der Khoi-San- Kinder sei, wenn sie denn zur Schule gingen.
    „Was sie nicht tun, obwohl Schulpflicht besteht“, sagte er.
    „Würde ich auch nicht“, sagte ich. „Gibt's denn keinen Schulbus?“
    Wir quälten den Geländewagen über einen matschigen Pfad.
    „Am schlechten Weg liegt's nicht. Sondern daran, dass die anderen sie mobben. In der Schule kriegen San-Kinder auf die Fresse, und zwar richtig.“
    Johan van Bomel war nicht der Mann schöngeistiger Umschreibungen.
    „Wer macht das?“, fragte ich. „Weiße?“
    „I wo“, sagte er. „Die gibt's hier gar nicht. Nein, Hereros.“
    Wer sich in Afrika aufhält, lernt, dass das Land einer Volksgruppe für alle anderen Volksgruppen tabu sein kann. Stellen Sie sich vor, Sie geraten in Bayern- München-Fanklamotten in die falsche Kurve des Stadions „Veltins Arena“ von Schalke 04 – dann haben Sie noch immer keine Ahnung, was passiert, wenn jemand in Afrika unsichtbare Stammesgrenzen überschreitet. Der Schritt zum Genozid ist oft erschreckend klein. Woran das liegt? Vieles hängt noch immer mit dem Kolonisationsdesaster zusammen. Danach ist die Entwicklung vieler afrikanischer Staaten auf den Stand „Europa im Mittelalter“ zurückgefallen.
    „Wir zogen Linien auf Landkarten von Gebieten, die nie ein weißer Mann betreten hatte. Wir schoben uns gegenseitig Gebirge, Flüsse und Seen zu“, beschrieb der britische Premier Lord Salisbury das Afrika-Monopoly auf der Berliner Konferenz von 1885. Damals wurden die afrikanischen Grenzen von heute gezogen. Ob es uns schmeckt oder nicht: Für den Zustand des Schwarzen Kontinents steht Europa noch immer in der Pflicht.
    „Die Herero lebten im Nordwesten Namibias“, sagte Johan van Bomel. „Als das Land deutsche Kolonie war, kam es im August 1904 zur Schlacht am Waterberg gegen die Truppen von General von Trotha. Diesem Gemetzel fiel ein Großteil der Herero zum Opfer. Die Überlebenden flohen nach Botsuana. 90 Jahre später floss Geld aus Deutschland, eine späte Wiedergutmachung. Daraufhin kehrten

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