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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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auszutreiben. Dies ging mir durch den Sinn, als wir am nächsten Morgen unsere Sachen packten, um mit Johan ins San-Dorfom!o!o zu fahren. Dort hatte Bruno Gretzmann, der Viehzüchter aus Oijikango, sein Teufelskrallen-Projekt initiiert. Es war eines der Vorhaben, die man auf Neudeutsch mit „Win-Win“ bezeichnet. Läuft es gut, profitieren alle Beteiligten davon, ohne sich gegenseitig über den Tisch zu ziehen. In diesem Fall ging es darum, dass Bruno, nachdem er beim Anbau der Teufelskralle Schiffbruch erlitten hatte, seinen Kunden nicht genügend Heilpflanzen bieten konnte. Auf der anderen Seite kennen die Khoi San die Wirkung der Teufelskralle seit Urzeiten und verwechseln auch nicht Harpargophytum procumbens mit Harpargophytum zeyheri. Da rund um Tsumkwe mehr Pflanzen wuchsen, als sie selbst benötigten, sammelten die Khoi San Teufelskralle, und Bruno bezahlte ihnen dafür einen fairen Preis. Erstmals in ihrem Leben bekamen sie Geld in die Hand, und das brachte neue Probleme mit sich.
    „Die Khoi San sind 30 000 Jahre ohne Zahlungsmittel ausgekommen“, sagte Johan van Bomel. „Doch im 21. Jahrhundert funktioniert das nicht mehr. Jetzt muss ich sehen, dass sie nicht alles für Schnaps ausgeben.“
    Außer der Wirkung vergärter Früchte kannten die Khoi San keinen Alkohol. Dementsprechend gefährdet sind sie, ähnlich den Indianern Nordamerikas oder den australischen Aborigines.
    „Die Herero nutzen das aus“, sagte Johan. „Überall im Busch schießen Shebeen-Stores wie Pilze aus dem Boden. Das sind illegale Schnapsläden, in denen Herero selbst gebrannten Alkohol verhökern. Die Wirkung ist verheerend, das habt ihr ja gestern gesehen. Dagegen kämpfe ich.“
    „Ist das der Grund für die Überfälle?“ fragte ich.
    Zum ersten Mal schien die Selbstsicherheit des Missionars zu schwinden.
    „Die Schnapsbrenner haben etwas dagegen, dass ich mich einmische“, gab er zur Antwort. „Ich habe keine Angst. Aber meine Frau ist gefährdet.“
    Wörtlich sagte er, „she's the one who is vulnerable“, und als ich nachhakte, erklärte er mir, dass er nie wusste, was er vorfinden würde, wenn er nach ein paar Tagen im Busch nach Hause kam. Dieser Stress zerrte an seinen Nerven - und an seiner Gesundheit. „Wenn Gott dich geschickt hat“, frage ich, „ist das so etwas wie eine Prüfung?“
    Er sah mich an, und mir wurde klar, ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.
    „Deshalb bringt mich auch keiner von hier weg“, sagte er.
    „Weder die Alkoholbanditen noch die Regierung.
    Es gibt genug Leute, denen wäre es am liebsten, die Khoi San würden still und leise aussterben.“
    Wir saßen um das erloschene Lagerfeuer und warteten auf Bruno, der mit einem Lieferwagen nach Tsumkwe kommen wollte. Endlich tauchte er auf – übernächtigt, aber bester Dinge. Er hatte Thomas dabei und war die ganze Nacht durchgefahren, um den Khoi San eine Ladung Teufelskralle abzunehmen. Doch zunächst lud er eine Palette Bier aus und ein paar extragroße Steaks, mit einem schönen Gruß von Horst. Zu meiner Freude hatte er an unsere Bestellung gedacht: pralle Säcke voller Mehl und Hirse sowie Tabak. Das war unser Gastgeschenk für die Khoi San. Einen Teil nahm ich mit nachom!o!o, den Rest würde Johan in anderen Dörfern verteilen.
    Die Begrüßung inom!o!o war phänomenal. Eine Horde Kinder lief uns lachend entgegen, was ich als gutes Zeichen wertete, denn am Tag zuvor hatten wir keinen Nachwuchs zu Gesicht bekommen.om!o!o selbst machte denselben Eindruck wie die anderen Dörfer, nur dass weniger Gerümpel herumlag. Es war klar, dass es den ehemaligen Nomaden schwer fiel, sich an die Sesshaftigkeit zu gewöhnen. Ihre Hütten zeigten, dass sie keine Lust zum Bauen hatten. Es entsprach nicht ihrem Lebenskonzept. Ums Lagerfeuer saßen ein paar Männer. Der Dorfälteste, Kommtsa Boo, erhob sich, und wir reichten uns nach Buschmannsitte die Hand. Dazu greift man mit der rechten Hand die Hand des anderen, und legt die linke an das eigene rechte Handgelenk. Alles andere wäre unhöflich. Danach breitete ich die Geschenke aus. Als die Khoi San den Tabak sahen, gab es kein Halten mehr. Die Ureinwohner Namibias rauchen immer und überall, meistens mithilfe leerer Artilleriepatronen. In diese stopfen sie Gräser, Kräuter und Blätter. Tabak besitzen sie nicht. Doch heute war das anders, und nachdem die qualmende Patrone im Kreis herumgegangen war, konnten wir über den Verlauf des Tages diskutieren. Ich liebe die Sprache der Khoi San.

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