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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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sind überall auf dem Vormarsch. Bei uns haben sie das Wissen um die Kraft der Heilpflanzen weitgehend verdrängt. In Afrika wird die Geschichte hoffentlich anders ausgehen.
    Am nächsten Tag fuhren wir Richtung Norden und erreichten nach ein paar Stunden das Örtchen Alice. Es begann zu regnen und gleich nachdem die Teerstraße in eine Piste übergegangen war, musste der japanische Eierbecher schwimmen lernen. Aus Schlaglöchern wurden Swimmingpools, und hätte ich ein Echolot dabei gehabt, um ihre Tiefe auszumessen, wäre mir wohler gewesen. Uli kannte das alles, denn überraschende Sintfluten waren am Ostkap nichts Ungewöhnliches.
    „Was hast du gemeint, dass ich mir das Projekt nur anschauen kann, wenn ich keine Probleme mit den Ohren habe?“, fragte ich.
    An Stelle einer Antwort zeigte Uli nach vorne. Im strömenden Regen säumten Hunderte von Menschen die Straße. Sie bildeten ein Spalier und riefen sich die Seele aus dem Leib. Darüber ertönte ein markdurchdringendes Trillern.
    „Wenn ich's nicht besser wüsste, würde ich umdrehen“, sagte Uli. „Aber für die Xhosa ist das der Empfang für Ehrengäste.“
    Mittlerweile hatten wir die Menschenmenge erreicht und ein wenig kam ich mir vor wie Cäsar bei seinem Einzug in Rom. Die Männer klatschten und sangen, während die Frauen einen hohen Fistelton von sich gaben, der mich daran erinnerte, wie ich einmal geklungen hatte, als ich unseren Herd an den Starkstrom anschloss, ohne vorher die Sicherung raus zu drehen.
    „Sorgt das nicht für Kehlkopf-Muskelkater? Stimmband- Prellung und Stauchung des Zungenbändchens?“
    Ich hatte ein paar Jahre Gesangsunterricht bei einer amerikanischen Opernsängerin genossen, die nicht nur stolze 130 Kilo auf die Waage gebracht hatte, sondern mit ihrer Stimme das Glas aus den Fenstern singen konnte. Seither war ich mit der Physiognomie unseres Rachenraums auf du und du. Als wollten mir die Xhosa-Frauen beweisen, dass meine Sorgen unbegründet waren, hoben sie zum Crescendo an. Vielleicht kennen Sie das: Wer einen unfolgsamen Hund hat, schafft sich eine Hundepfeife an. Deren Töne sind für uns nicht vernehmbar, weil sie im Frequenzbereich über 20 000 Hertz liegen. Für Bello dagegen heißt es, Herrchen pfeift, und ich komm angedackelt, als gehöre Gehorchen zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Die Xhosa-Frauen brauchten keine Hundepfeife, und als ich später ein paar Welpen traurig durch die Straßen von Alice schleichen sah, wusste ich warum.
    Uns stimmte die Begrüßung fröhlich, denn es kommt schließlich nicht alle Tage vor, dass einem eine Gesangsgruppe von der Stärke der Fischerchöre willkommen heißt. Wir stiegen aus und der Dorfälteste von Alice schüttelte uns begeistert die Hand. Uli Feiters Projekt „Kapland-Perlagonien-Anbau in Alice“ war mittlerweile zwei Jahre alt und trug bereits reichlich Früchte – besser gesagt: Wurzeln, denn sie waren es, die ein bisschen Geld in diesen bettelarmen Landstrich brachten. Wieder einmal zeigte es sich, dass es auch möglich ist, Geschäfte zu machen, von denen alle profitieren. Uli Feiter erhielt hochwertige Heilpflanzen aus einer nachweisbaren Quelle. Die Pflanzen selbst wurden durch kontrollierten Anbau und schonende Erntemethoden geschützt. Und die Xhosa verdienten Geld, das sie in ein Altersheim investierten. Denn das war der Clou an der Sache: In Alice entstand das erste Heim für alte Menschen in der ehemaligen Transkei. Wie überall herrschte auch hier Landflucht. Städte wie Johannesburg, Kapstadt, Durban und Pretoria zogen Scharen von jungen Menschen an. Dadurch funktionieren die alten Traditionen nicht mehr und die Alten mussten zusehen, wie sie ohne ihre Kinder über die Runden kamen.
    In dieser Situation war für sie die Initiative von Uli Feiter wie ein Sechser im Lotto. Entsprechend motiviert gingen sie ans Werk. Nach vielen Rückschlägen – dass die Kapland-Perlagonie eine eher widerstrebende Heilpflanze in Sachen Kultivierung ist, hatte ich ja bereits gelernt – konnte Uli ein Erfolgsprojekt präsentieren. Zusammen mit dem Dorfältesten zeigte er uns die Felder.
    „Die Gemeinde stellt Land zur Verfügung“, erläuterte er. „Darauf brechen die Leute mit dem Eselpflug den Boden auf und befreien ihn von Gras und Pflanzen. Dann werden Perlagonien-Setzlinge gepflanzt. Damit bauen wir zum ersten Mal seit Jahrzehnten die Heilpflanze wieder dort an, wo sie ursprünglich herkommt. Klingt einfach, ist es aber nicht. Da durch die Apartheid alle

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