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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Drinnen ging es lebhaft zu, und sofort war ich von lachenden Menschen umringt. Mit denen ließ es sich vortrefflich über südafrikanischen Volkssport diskutieren.
    „Cricket ist für die Weißen“, wiegelte Leon ab. „Rugby auch, selbst wenn ein paar Schwarze in die Mannschaft aufgenommen wurden. Doch jetzt ist die Fußball-Weltmeisterschaft das größte Ding.“
    Leon war Xhosa, und Lehrer in einem kleinen Dorf, 30 Kilometer von Peddie entfernt. Er unterrichtete Rechnen, Schreiben und überhaupt alles, was in einer Dorfschule anfällt.
    „Jeden Samstag gehe ich zum Markt“, sagte er. „Um Leute zu treffen, mit denen ich mich unterhalten kann.“
    „Über Fußball?“, fragte ich.
    „Natürlich“, sagte er, „aber vor allem über Wirtschaft. Das habe ich studiert, an der Witwatersrand Universität. Wusstest du, dass in Südafrika der Beitrag des Dienstleistungssektors zum Bruttosozialprodukt bei 64 Prozent liegt, der Industrieanteil aber nur bei 32 Prozent? Da steckt noch jede Menge Potenzial drin.“ Und dann erhielt ich vom Dorflehrer einen volkswirtschaftlichen Vortrag, der sich gewaschen hatte. Leon war intelligent, schaute über den Tellerrand hinaus und steckte voller Energie und Tatendrang.
    „Wir sind noch lange nicht da, wo wir hin wollen“, sagte er. „Aber wir sind auf einem guten Weg.“
    Ich bestellte uns zwei Kaffee und wir nahmen an einem Tisch Platz, von dem wir den Markttrubel im Blick hatten. Leon erzählte mir von seinem Alltag an der Schule, dem Leben auf dem Dorf und wie mühsam es war, die Folgen der Apartheid zu überwinden.
    „Sie war ja nicht nur ein System, um Weiße von Schwarzen und Farbigen zu trennen. Die Apartheid sollte dafür sorgen, dass wir langsam aber sicher aussterben. Die Lebenserwartung in den Homelands ging ständig zurück, die Säuglings- und Kindersterblichkeit stieg. Die Rassentrennung war ein Genozid auf Zeit.“
    Dies ist der Grund, weshalb Südafrika seit dem Ende des Alptraums elf – in Zahlen 11 – offizielle Landessprachen besitzt. Keiner soll mehr ausgegrenzt werden. Deshalb spricht man Englisch, Afrikaans, isi- Zulu, Siswati, isiNdebele, Sesotho, Nördliches Sotho, Xitsonga, Setswana, Tshivenda und isiXhosa. Jede Sprache ist ein Ausdruck der Nichtdiskriminierung. Alle sollen ins Boot geholt werden. Daher gibt es auch jede Menge offizieller Landesnamen. Auf Afrikaans heißt Südafrika Republiek van Suid-Afrika und auf Englisch Republic of South Africa. Auf isiNdeble wird das Land IRiphabliki yeSewula Afrika genannt, auf isiXhosa IRiphabliki yaseMzantsi Afrika und auf isiZulu IRiphabliki yase-Ningizimu Afrika. In der Sprache Nördliches Sotho heißt Südafrika Rephaboliki ya Afrika-Borwa, auf Sestho Rephaboliki ya Afrika Borwa, auf Setswana Rephaboliki ya Aforika Borwa und auf Siswati IRiphabhulikhi yeNingizimu Afrika. Nicht zu vergessen die Sprachen Tshivenda und Xitsonga, die Südafrika Riphabuliki ya Afurika Tshipembe und Riphabliki ra Afrika Dzonga nennen.
    Das alles weiß ich, weil Leon erst zufrieden war, nachdem er mir die Namen ins Notizbuch diktiert hatte.
    „Sprechen manche Leute mehrere Sprachen?“, fragte ich.
    „Einige Dialekte sind sich ähnlich“, entgegnete er, „man kann sich verständigen, ohne die andere Sprache wirklich zu kennen. Doch das Hauptproblem ist, dass 60 Prozent der Weißen Afrikaans sprechen, was nur von einem Prozent der Schwarzen beherrscht wird. Der Rest der weißen Bevölkerung spricht Englisch, was wiederum nur ein halbes Prozent der Schwarzen versteht.“
    „Schwarze und Weiße können also nicht miteinander reden? “, fragte ich.
    „Häufig nicht“, erwiderte Leon. „Das ist schlecht für ein friedliches Miteinander.“
    Nach dieser Lehrstunde südafrikanischer Realität ließ es sich Leon nicht nehmen, mich zu einem traditionellen Heiler zu führen, der den Markt von Peddie als Apotheke nutzte. Ich erzählte Leon von meinem Vorhaben, die Heiler des südwestlichen Afrikas in mein Buch aufzunehmen, und er war begeistert.
    „Wenn alle Leute ihr ganzes Wissen in einen Topf werfen, was käme dabei heraus?“, fragte er mich.
    „Eine bessere Welt“, sagte ich.
    Er lachte. „So ist es. Also gehen wir. Der Heiler unseres Dorfes ist in der Stadt.“
    Als wir aus dem Café traten, hauten mich die Backofentemperaturen beinahe um. Den Marktbesuchern dagegen schien die Hitze wenig auszumachen. Von überall drang Musik an mein Ohr. Ich hörte fröhliches Lachen und das Geschrei von Händlern und Kunden. Wir

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