Von Namibia bis Südafrika
gerade in Südafrika die Epidemie nicht einzudämmen ist? Vor allem an der noch immer miserablen Aufklärung. Viele Menschen wissen nicht, dass Geschlechtsverkehr für die Übertragung sorgen kann. Solange Leute wie Staatspräsident Jacob Zuma mit einer Dusche den Virus in den Gully spülen will, wird sich daran auch nichts ändern. Dazu trägt die Kirche ihren Teil zum großen Sterben bei. Zur Zeit meiner Reise tummelten sich ein Dutzend deutscher Bischöfe im Land. Die Mützenträger wagten sich ins KwaZulu-Natal, wo 60 Prozent aller Neugeborenen mit dem Virus auf die Welt kommen. Sie waren schwer betroffen, muss man sagen: doch zu einem Plädoyer für das Kondom konnte sich keiner der Herren durchringen.
Das war die Situation, als der südafrikanische Biologe Nigel Gericke im Jahr 1999 zu Hause saß und an seinem neuen Buch über Heilpflanzen schrieb. Zu dieser Zeit hatte sich der Querdenker schon eine stattliche Anzahl Feinde geschaffen, weil er dafür eintrat, dass Heilpflanzen öffentliches Gut sind und Wirkstoffe nicht patentiert werden dürfen. Als es an diesem Tag an seiner Tür klingelte, ahnte er nicht, dass sich an seiner Position als störender Querdenker so schnell nichts ändern sollte.
„Es war ein Mann aus meiner Nachbarschaft“, erzählte mir Nigel. „Der wusste, dass ich Erfahrungen mit Heilpflanzen habe. Er fragte mich, ob ich etwas gegen Aids hätte. Zwei seiner Freunde, eine allein erziehende Mutter und ihr kleines Kind, waren ernsthaft an Aids erkrankt. Ärzte und Heiler hatten sie bereits aufgegeben. Damals war es in Südafrika nahezu unmöglich, an antiretrovirale Medikamente zu kommen.“
Nach Tagen, in denen ich ungeduldig durch Kapstadt getigert war, hatte ich Nigel endlich getroffen.
Er war ein hoch aufgeschossener Mann, der lange nachdachte, bevor er eine Frage beantwortete. Seine Antworten unterstützte er mit kraftvollen Handbewegungen, als wolle er sagen: So ist es, und nicht so! Gerade kam er aus Australien zurück, wo er auf einem internationalen Kongress über seine Arbeit gesprochen hatte.
„Ich würde lieber in Südafrika darüber reden“, sagte er zur Begrüßung. „Aber da lässt man mich nicht.“ Er schlug vor, dass wir zu den beiden Patienten fuhren, die er seit dieser Zeit mit Sutherlandia versorgte. Das war die Pflanze, die mir Kersten Paulsen in der Wüste Karoo gezeigt hatte und deren Heilkraft nach seiner Aussage alle Vorstellungen sprenge.
Lerumo-lamadi, das Blut-Speer, in der Sprache der Sotho.
Phetol, die Pflanze, die dich ändert, bei den Tswana- Heilern.
„Als mein Nachbar an der Tür klingelte“, erzählte Nigel, „untersuchten wir Sutherlandia gerade auf Anwendungen, die nichts mit HIV zu tun hatten. Die Khoi San zum Beispiel setzen sie auch bei Depressionen ein, und nennen sie „die Pflanze, die dich aus dem Dunkeln holt“. Die englischsprachigen Siedler tauften Sutherlandia Cancer-Bush, also Krebs-Busch, weil sie positive Reaktionen bei Krebserkrankungen beobachtet hatten. Ich wusste also, dass wir es mit einem fantastischen Stärkungsmittel zu tun haben. Aber ich konnte nicht ahnen, welchen positiven Einfluss Sutherlandia auf den Gesundheitszustand der beiden Kranken nehmen würden. Innerhalb von drei Monaten nahm die Mutter sechs Kilo zu. Auch ihr Kind sammelte wieder körperliche Kräfte. Der allgemeine Gesundheitszustand von beiden verbesserte sich rasch.“
Seither beschäftigt sich Nigel Gericke mit Sutherlandia im Kampf gegen HIV. Seither rennt er gegen Mauern. Seither holt er sich eine blutige Nase nach der anderen. Der Grund dafür ist so einfach wie pervers: Die Pharmaindustrie fürchtet enorme Umsatzeinbrüche, weil Sutherlandia ein sehr preisgünstiges Medikament ist. Mit rund 24 Euro im Jahr kann in Afrika ein Aids-Kranker über zwölf Monate hinweg versorgt werden. Das nochmals zum Zungeschnalzen: Für 24 Euro. Im Jahr.
Kein Wunder, setzte die Pharmalobby alle Hebel in Bewegung, damit Sutherlandia weder wissenschaftlich untersucht noch flächendeckend angebaut werden konnte.
„Am Anfang war die Regierung begeistert“, sagte Nigel. „Wen wundert's, bei den Ergebnissen. Die nötigen wissenschaftlichen Tests sollten mit Hochdruck anlaufen, und alle hofften auf den Durchbruch in der Aids-Problematik. Aber es war der Anfang vom Ende.“
Aus heiterem Himmel heraus stoppte der Staat alle Tests. Das war nicht der Beschluss eines zynischen Apartheid-Regimes, sondern die Entscheidung einer Regierung, die demokratisch gewählt
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