Von Natur aus kreativ
Druckkabine zu erfinden und damit aufzusteigen, erst auf 15785 Meter, dann auf 16201 und schließlich auf 23000. Damals ein Weltrekord, der den Flugverkehr bis heute beeinflusst, denn jedes Langstreckenflugzeug macht das vermeintlich Unmögliche wahr und sucht seine Flugbahn in der Stratosphäre. Mit Professor Bienlein übrigens (im Original Professeur Calculus) zeichnete Hergé in der Comicserie „Tim und Struppi“ ein Denkmal für Auguste Piccard und dessen Pioniergeist.
Der trieb Piccard immer weiter, und nachdem die Höhen erreicht waren, versuchte er es noch in den Tiefen. Dafür entwickelte er das legendäre Bathyskaph (das griechische Wort »bathos« bedeutet »tief«, »skaphos« heißt »Schiff«): ein Tiefseeboot mit einer druckfesten Tauchkugel, mit dem man tiefer als je zuvor und dann auch noch selbstständig auf dem Meeresgrund navigieren konnte. Im Bathyskaph ließ sich Auguste Piccard 3150 Meter ins Tyrrhenische Meer hinab, für das Jahr 1953 ein Rekord, der die vorherigen Leistungen verdreifachte. Schnell aber wurde auch dieser Rekord von Augustes Sohn übertroffen. Zusammen mit dem Forscher Don Walsh tauchte Jacques Piccard am 23. Januar 1960 auf den erst 1951 von den Forschern des Schiffs Challenger II entdeckten tiefsten Punkt der Erde (Challenger Deep). Und welch eine Überraschung erwartete sie dort: Am Meeresgrund, in 10740 Metern Tiefe, wo niemand mehr Leben vermutet hatte, bewegte sich ein Plattfisch, einer Scholle sehr ähnlich. Über 17 Jahre waren die Boote vom Typ Bathyskaph anschließend sehr erfolgreich im Einsatz.
Für Bertrand Piccard waren diese Leistungen nicht immer leicht zu verarbeiten, auch wenn er „Kapitän Nemo“, wie er seinen Vater manchmal insgeheim nannte, sehr bewunderte: „Man stellte mich vor: Das ist Bertrand, sein Großvater war als Erster in der Stratosphäre, der Vater als Erster in der tiefsten Tiefsee.“ – „Und wo warst du?“, bekam er dann manchmal zu hören. Doch Bertrand studiert zunächst Medizin, spezialisierte sich auf Psychiatrie und Hypnose und verwarf jeden Gedanken an eine Welteroberung. Bis schließlich doch ein Juniorwettbewerb der Chrysler Challenge lockte, an einer Ballonfahrt von den USA nach Spanien teilzunehmen. Bertrand konnte nicht widerstehen, flog 5000 Kilometer in fünf Tagen und fand Gefallen daran.
Heute denkt jeder sofort an die Weltumrundung mit dem Heißluftballon Breitling Orbiter 3 im Jahr 1999, wenn er den Namen Bertrand Piccard hört. Es war der längste Flug der Luftfahrtgeschichte, sowohl hinsichtlich der Dauer als auch in Bezug auf die Entfernung. Und es war eine Schulung in Sachen Kreativität: „Es war ein Traum, in der Natur zu sein, mit dem Wind durch die Welt zu fahren. Zusammen mit Brian Jones lebte ich 20 Tage in der Luft. Wir waren in einer total fremden Situation. Das hat uns dazu gezwungen, neue Mechanismen zu entwickeln, um mit unserer Situation zurechtzukommen“, erzählt Piccard. Nur so war es möglich, die Enge auszuhalten, die Unbequemlichkeit, die eingeschränkten Bewegungs- und Schlafmöglichkeiten, die karge Kost, die mangelnde Hygiene, die Gefahren, die Abhängigkeit vom Wetter und vieles mehr. Das ist alles nicht ohne Weiteres möglich, doch das Potenzial der eigenen Möglichkeiten potenziert sich mit dem Übergang von der Bequemlichkeit zur Herausforderung: „Um zu neuen Ufern aufzubrechen, muss man zuvor Ballast abwerfen. Wir müssen unsere Gewissheiten aufgeben, dann schaffen wir Platz für Kreativität und neue Lösungen“, so Piccard.
Aber fast hätte es auch beim dritten Anlauf nicht geklappt, als Erster die Erde mit dem Ballon zu umrunden. Denn als Piccard und Jones an ihrem Ziel in der ägyptischen Wüste ankamen, waren noch genau 40 Kilo Flüssigpropangas als Treibstoff vorhanden – gestartet waren sie mit 3,7 Tonnen. Wären die Winde über dem Atlantik nur ein kleines bisschen schwächer gewesen, hätte eine Notwasserlandung und nicht ein Weltrekord die Schlagzeilen der Presse dominiert, und das war der Moment, in dem ein Gedanke in Bertrand Piccard keimte: „Es einmal völlig losgelöst von fossilen Energieträgern zu versuchen. Eine Erdumrundung nur mithilfe von Solarenergie zu schaffen. Eine wahrhaft moderne Pionierleistung zu vollbringen, nämlich etwas für die Zukunft unseres Planeten zu tun.“
Heute, im Jahr 2012, nach dem Interkontinentalflug von der Schweiz nach Marokko, ist das Ziel einer solargetriebenen Erdumrundung ein ganzes Stück realistischer geworden. Auf die
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