Von Natur aus kreativ
das Fernsehen in den letzten Jahren immer mehr fragmentiert hat. Heute lesen täglich lesen mehr als zwölf Millionen Menschen unsere Zeitung. Die Massen bewegen wir, weil wir die Themen der Straße aufgreifen. Und dabei suchen wir immer einen möglichst neuen und kreativenAnsatz der Vermittlung. Dabei das richtige Verhältnis zwischen Information und Unterhaltung zu bestimmen, ist eine der größten Herausforderung unserer Arbeit. Dazu braucht man Einfühlungsvermögen und auch Mut, denn alles, was wir tun, kann immer eine große Auswirkung haben. Manchmal bedeutet das auch, über ein Thema bewusst nicht zu schreiben.
Pöppel: Sie sind seit elf Jahren jetzt Chefredakteur der BILD. Was haben Sie in dieser Zeit noch über Kreativität erfahren?
Diekmann: Kreativ zu sein heißt, sich keinem Zwang ausgeliefert zu fühlen. Kreativität braucht zwar immer ein Ziel – aber auf dem Weg zu diesem Ziel auch einen größtmöglichen Freiraum. Vor allem aber braucht Kreativität Leidenschaft.
Das Gute des Bösen
Warum Ethik und Biologie zusammengehören
Eine moralisch richtige Handlung empfinden wir als schön. Etwas moralisch Verwerfliches als hässlich. Mit konkreten Vorstellungen von Gut und Böse hat das meist wenig zu tun – sondern mit Hirnarealen . „Gut“ bedeutet im Verständnis der Neurowissenschaften, dass es eine Übereinstimmung unseres impliziten und unseres bildhaften Wissens gibt, unserer abstrakten Vorstellung und konkreter Tatsachen. „Richtigkeit“ ist der bessere Ausdruck für eine solche Übereinstimmung. Manchmal jedoch weichen subjektive Richtigkeit und gesellschaftlicher Konsens voneinander ab, wie die Geschichte der kürzesten Regentschaft aller Zeiten zeigt – Assoziationen zu heutigen Ereignissen seien erlaubt.
Es war einmal eine wunderschöne junge Frau, die allen Männern den Kopf verdrehte – und ihnen übrigens früher gerne gegen Bezahlung ihre Begleitung angeboten hatte. Und es war einmal ein stattlicher junger Mann, den die Schwiegermamas des Landes liebend gerne für ihre Töchter erwählt hätten. Allerdings eilte ihm auch der Ruf voraus, dass er zwar eine vielversprechende Zukunft habe, aber ein Langeweiler sei. Und außerdem hatte er nur Augen für die wunderschöne Prinzessin. Der war es zum Glück herzlich egal, wie unterhaltsam ihr Märchenprinz war, denn schillernd genug war sie selbst. Und so nahm er sie zur Frau – oder sie ihn zum Mann. Sie bauten sich ein kleines Heim und bekamen zwei wunderschöne Kinder. Aber damit war die Geschichte noch nicht zu Ende.
Denn es begab sich, dass der alte König des Landes für alle Menschen völlig überraschend in den Ruhestand ging. Bislang dachte man, dass es das gar nicht gäbe, ein König kann doch nicht einfach aus heiterem Himmel seineKrone niederlegen und aus seinem Schloss ausziehen. Doch genau das geschah. Und nun war der Königssitz verwaist. Niemand genoss mehr den schönen Blick aus dem Schloss auf den Schlosspark. Viele Anwärter wollten den Platz des alten Königs einnehmen, so auch unser junger Mann. Und er besiegte die Nebenbuhler, denn er hatte viele Unterstützer, die sich ihrerseits Vorteile von ihm versprachen. Zwar hatte er wenig Charisma und keine Botschaft, die er an seine Untergebenen weitergeben konnte, aber das machte nichts, sondern war sogar gut. Denn seine Unterstützer dachten bei sich: Wir bringen den auf den Thron, der uns nicht nervt. Und wer keine Position vertritt, der sagt auch nichts, wofür wir ihn später guillotinieren müssen.
Die beiden machten ihre Sache gut. Die junge Königin war immer elegant gekleidet und trug ihre Haare schön, sodass sie eine Modeikone für die weiblichen Untertanen wurde. Und der junge König legte sogar seine vormals privat geäußerten Überzeugungen ab. Während er früher hinter den Kulissen über fremde Religionen in diesem Lande geschimpft hatte, redete er nun stets so, dass er niemandem auf die Füße trat. Damals waren die Untertanen nicht sehr verwöhnt mit ihren Herrschern und unterhielten sich länger über deren Haare, Krawatten und Brillen als über ihre politischen Beweggründe. So hätte die Geschichte gut enden können. Aber leider gab es in diesem Königreich auch andere mächtige Männer. Einer von ihnen trug keine Krone, sondern eine Hornbrille, und seine Streitkräfte kämpften weder mit Pistole noch mit Schwert, sondern mit der Feder. Mit dieser konnte er die Meinungen des Volkes beeinflussen, weswegen er auch als „Herr der Buchstaben“
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