Von Natur aus kreativ
ihre Art der Kreativität auch eine Sache des Körperbaus?
Thomas S. Kuhn: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2., rev. Aufl., Frankfurt (Main): Suhrkamp 1976 (zuerst 1962: The Structure of Scientific Revolutions).
In „Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen“ führt Thomas Kuhn sein Konzept des „Paradigmas“ aus: Wissenschaftliche Arbeit findet jeweils in einem bestimmten Rahmen statt, den man auch als „Mainstream“ bezeichnen kann. Es ist unmöglich, wie Kuhn betont, die Vertreter innerhalb ihres Paradigmas von einem neuen, kreativen Gedanken zu überzeugen; sie müssen erst „wegsterben“, damit eine neue Kreativität sich durchsetzen kann. Wenn man davon ausgeht, dass die Schaffenszeit eines Wissenschaftlers, der in ein bestimmtes Paradigma eingebettet ist, etwa 30 Jahre beträgt, dann bedeutet dies, dass innerhalb eines Forschungsbereichs höchstens etwa drei Paradigmen in einem Jahrhundert wirksam sein können.
Edwin Land: „Recent Advances in Retinex Theory and Some Implications for Cortical Computations. Colour Vision and the Natural Image“, in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America 80 (1983), S. 5163 – 5169.
Der Erfinder, Unternehmer und Forscher Edwin Land hat nachgewiesen, dass wir Farben anders wahrnehmen, als es in den Lehrbüchern auf Grundlage der klassischen Physik immer noch vertreten wird. Farben werden im Gehirn konstruiert und sind nicht einfach nur die Widerspiegelungen von bestimmten elektromagnetischen Wellen, wie es Isaac Newton in seinem Werk „Opticks“ beschrieben hat. Die Theorie von Land ist auch wesentlich für das Verstehen von Farbkonstanz, dass also bei verschiedenen Beleuchtungsbedingungen bestimmte Oberflächen ihre Farben bewahren, auch wenn sich die Reflexion des Lichts wesentlich geändert hat. Und Farbkonstanz, wie auch Helligkeitskonstanz oder Größenkonstanz von optischen Reizen, ist entscheidend dafür, dass wir „etwas als etwas“ wahrnehmen, es für uns also seine Identität behält.
Joseph Lengeler, Bernd S. Müller & Franco di Primio: „Neubewertung kognitiver Leistungen im Lichte der Fähigkeiten einzelliger Lebewesen“, in: Kognitionswissenschaft 8 (2000), S. 160 – 178.
Es zeigt sich, dass einzellige Lebewesen bereits viele Funktionen aufweisen, die man üblicherweise nur bei mehrzelligen Organismen mit Gehirn erwartet. Das Überraschende ist, dass diese Funktionen in ganz unterschiedlicher Weise im Organismus verankert sind. Was kann man daraus lernen? Dass die natürliche Umwelt offenbar einen Rahmen vorgibt, innerhalb dessen Organismen Lebens- und Überlebensstrategien entwickeln, die unabhängig davon sind, auf welche Weise die Umwelt repräsentiert wird. Diese Übereinstimmung ist für mich einer der wichtigsten Belege für die Einheit der Natur, in die wir eingebettet sind. Die Umwelt gibt Randbedingungen vor, die in der Evolution des Lebendigen bestimmte Selektionen geradezu erzwingen.
Nikos K. Logothetis: „What We Can and What We Cannot Do With fMRI“, in: Nature 453 (2008), S. 869 – 878.
Um wissenschaftliche Erkenntnisse zu ergattern, benötigt man bestimmte Methoden. Die Hirnforschung wie die Psychologie orientieren sich hierbei im Wesentlichen am Konzept der Induktion, wie es Francis Bacon vor nahezu 400Jahren formuliert hat. Aus Beobachtungen und Daten aus Experimenten kommt man – üblicherweise mithilfe von statistischen Verfahren – zu Schlussfolgerungen. Diese sind stets Aussagen über Wahrscheinlichkeiten und erheben nicht den Anspruch einer absoluten Wahrheit. Neuerdings spielen die bildgebenden Verfahren eine wichtige Rolle,so zum Beispiel die funktionelle Kernspintomografie (fMRI). Auf diesem Gebiet ist Nikos Logothetis einer der Großmeister, und nebenbei ist er auch noch ein genialer Pianist. In seinem Text zeigt er, was wir alles können, wenn wir dieses neue Verfahren anwenden – aber vielleicht auch lieber bleiben lassen sollten. Nikos Logothetis ist auch ein Beispiel dafür, wie viel kompetenter man als sein „Doktorvater“ sein kann (er war mein Doktorand).
Konrad Lorenz: „Die angeborenen Formen möglicher Erfahrung“, in: Zeitschrift für Tierpsychologie 5 (1943), S. 235 – 409.
Dieser sehr lange Aufsatz ist grundlegend für die moderne Verhaltensforschung; jeder Leser muss selber bewerten, wie er die aus dem Geist der Zeit heraus geschriebenen Passagen beurteilt. Für mich hat sich aus dieser Arbeit überhaupt erst die
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