Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
Bundeswehrkrankenhaus nach Koblenz.
Die Ärzte in der Lala-Burg überprüften mich achtundvierzig Stunden lang nach allen Regeln der Kunst. Ich machte einen auf depressiv und jammerte herum, wie schlecht es mir seit meinem Dienstantritt in Ulmen doch ginge. Aber angesichts der anderen Kaliber, die dort in der Neurologie herumliefen, war ich ein kleiner Fisch. Vor allem war ich völlig klar in der Birne! Die meisten Kameraden, die es hierher verschlagen hatte, hatten zumindest eine Granate geköpft oder waren traumatisiert und brüllten im Schlaf. Logisch, dass Mediziner, die sich vorwiegend mit solchen Fällen befassten, sich von einem Simulanten wie mir nicht täuschen ließen. Ihre Taktik, mich wieder loszuwerden, war wahrscheinlich schon zig Mal an ähnlichen Hanseln erprobt worden:
»Flieger Geiss, wir können nichts finden. Aberum sicherzugehen, müssen wir Sie zwei Wochen zur Beobachtung hierbehalten«, sagte der Oberarzt. Das klang erst mal ja eigentlich nicht schlecht, fandich.
»Ich lasse Sie dann in die geschlossene Abteilung verbringen.«
Das klang wiederum nun schlecht. Zwei Wochen in der Geschlossenen? Ich hatte vor meiner Einlieferung von dieser Abteilung wenig Erbauliches gehört. Der Name kam nicht von ungefähr. Wenn man drin war, war man drin. Und wer weiß, ob ich nach vierzehn Tagen unter lauter Irren dann nicht wirklich noch selber einen Treffer bekam. Außerdem konnte ich dann auch zwei Wochenenden in Folge nach Köln fahren. Das ging gleich gar nicht!
»Es sei denn...«, sagte der Arzt, »es sei denn, Sie wollen doch lieber zurück zur Truppe.«
»Jawohl, Herr Generalarzt«, sagte ich. »Ich denke, es geht schon.«
Am nächsten Morgen packte ich meine Sachen zusammen und rückte wieder in Ulmen an.
Drei Wochen lang riss ich mich am Riemen und absolvierte die Grundausbildung, so gut es ging.Ich lernte Dinge wie das korrekte Antreten und Marschieren, die verschiedenen Dienstgrade oder das richtige Melden an einen Vorgesetzten. Das ganze spielte sich ausschließlich in einem trostlosen Hörsaal ohne Tageslicht ab und war eine ziemlich theoretische Angelegenheit. Kurzum: Ich langweilte mich zu Tode.
In der Folgezeit ging ich in meiner schieren Verzweiflung ein paar Mal stiften. Selbstverständlich bekam ich zu allem Überfluss deshalb ein Disziplinarverfahren. Ich wurde zum Heer nach Andernach strafversetzt. Die dortige Krahnenberg-Kaserne war einst das berüchtigte »Luftwaffenlazarett I/XII Hermann Göring«. Sie hatte den Spitznamen »Barackenlager«, weil es die erste Kaserne war, die der alte Adenauer nach dem Krieg wieder aufgesperrt hat. Genauso wie zu Görings unseligen Zeiten sah es dort auch Anfang der Achtziger noch aus.
Noch mehr Ärger konnte ich mir hier wirklich nicht leisten. Zu allem Überfluss trugen natürlich sämtliche Soldaten dort raspelkurze Frisuren und ein schnittiges Barett. Ich dagegen versuchte, meine zuvor noch gerade so geduldete Mähne zu verstecken. Das half allerdings nichts: Der erste Befehl, den ich in Andernach entgegennahm, lautete, mir gefälligst die Haare schneiden zu lassen.
Meine Vorgesetzten hatten den ganzen Zinnober mit dem Disziplinarverfahren natürlich mitbekommen. Also hatten sie sich für mich etwas ganz Besonderes einfallen lassen: eine Stelle im Bereich »Dezentrale Beschaffung«. Vom Abenteuer-Feeling her glich das ungefähr einem Posten in einer AOK-Geschäftsstelle.
Diese Abteilung hatte die Aufgabe, alles, was im Depot nicht vorrätig war und unvorhergesehen gebraucht wurde, möglichst schnell zu besorgen: vom Aspirin bis zur Kloschüssel. Was im Grunde eine Strafaufgabe sein sollte, entpuppte sich für mich schnell als Glücksfall. Denn Dinge beschaffen, das konnte ich! Die neue Aufgabe brachte es mit sich, dass ich bald mit vielen wichtigen Leuten in Kontakt kam. Und nach ein paar Wochen bekam ich ein Gespür dafür, wem man womöglich auch Sachen aus meinem beziehungsweise Vaters Repertoire andrehen konnte: Sonnenbrillen, Uhren und Klamotten zum Beispiel. Meine Stammkundschaft, die sich regelmäßig eindeckte, reichte vom Unteroffizier bis zum Feldwebel.
Dadurch bekam ich trotz meines Sündenregisters einige Privilegien. Das wichtigste war, dass ich nun doch wieder abends nach Dienstschluss nach Köln fahren durfte. Die einzige Bedingung lautete, dassich morgens um 6.30 Uhr wieder im Barackenlager anzutreten hatte. Und wenn ich mal zum Wacheschieben eingeteilt war, fand ich meistens jemand, der mir für fünfzig Mark den
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