Von nix kommt nix: Voll auf Erfolgskurs mit den Geissens (German Edition)
nur, dass mich das eigene Kind langsam, aber sicher aufzufressen begann. Was hätte ich davon, wenn ich mit Mitte, Ende Dreißig einen Herzinfarkt erleiden und zum Pflegefall werden würde?
Mehrere Wochen zogen sich die Verhandlungen hin. Es war ätzend! Die Wirtschaftsprüfer von der Kaufhof-Seite bekamen jeden noch so detaillierten Einblick in unser Innenleben. Sie erstellten dutzendweise Expertisen über unseren Vertrieb, das Marketing oder die Logistik. Sie sprachen sogar mit all unseren Lieferanten und den größten Abnehmern. Das ging mir tierisch auf den Senkel, denn was dabei herauskommen würde, hätte ich denen auch vorher sagen können. Tatsächlich lautete das Ergebnis des ganzen Zinnobers: »Uncle Sam« war ein profitables, kerngesundes Unternehmen, das für die gesamte Gruppe einen hochinteressanten, neuen Geschäftszweig eröffnen würde. Der Verkauf schien nur noch Formsache.
Dummerweise hatte die damalige Kaufhof-Mutter Metro gerade eine ganz andere Baustelle, die in der Presse mächtig Staub aufwirbelte: Der Konzern hatte einige Jahre zuvor ein eher kleines Versandhaus mit Sitz in Köln für wahnwitzige dreihundertvierzig Millionen Mark erworben! Kurz danach rutschte dieses Versandhaus tief in die roten Zahlen. Daraufhin vermuteten die Metro-Bosse, dass vor dem Geschäft von der Gegenseite noch schnell ein paar Zahlen frisiert worden waren. Das Verfahren wegen Bilanzfälschung und anderen Unzulänglichkeiten zog sich parallel zu meinen Verhandlungen nun auch schon einige Zeit hin.
Natürlich hatte das überhaupt nichts mit uns zu tun. Auf dem Papier stand Schwarz auf Weiß, dass der Kaufhof mit »Uncle Sam« einen echten Trumpf in die Hand bekommen würde. Aber aus Angst vor der eigenen Courage zogen die Metro-Leute die Notbremse und bliesen kurz vor knapp alle weiteren Gespräche mit uns ab. Der Generalbevollmächtigte wurde von ganz oben zurückgepfiffen und teilte uns nüchtern das Ende aller Verhandlungen mit.
Zunächst war ich ziemlich angepisst! Alles war schon so weit fortgeschritten. Ich hatte mich gedanklich bereits mit dem Verkauf abgefunden und Pläne für die Zeit danach geschmiedet. Stattdessen eierte ich nun wieder wie zuvor Tag für Tag ins Büro, musste zu Verhandlungen mit den üblichen Produktions- oder Vertriebshanseln fliegen und saß am Abend oft mit unerträglichen Kopfschmerzen zu Hause.
Doch der werte Herr Generalbevollmächtigte hatte während der vergangenen Wochen offenbar Blut geleckt. Jedenfalls meldete er sich kurze Zeit nach den geplatzten Gesprächen mit Kaufhof wieder bei uns. Er hatte unsere ganzen Bücher eingesehen und aus erster Hand mitbekommen, dass »Uncle Sam« ganz sicher keine Luftnummer war. Also wollte er jetzt selbst mit uns ins Geschäft kommen.
»Wollt Ihr immer noch verkaufen?«, fragte er mich am Telefon.
»Klar«, sagte ich. »Lieber heute als morgen.«
»Ich finde einen anderen. Das verspreche ich Euch«, sagte er. »Der macht Euch am Ende sogar noch einen besseren Preis als der Kaufhof.«
Das klang gut. Wir vereinbarten einen Exklusivvertrag mit ihm. Innerhalb der nächsten vier Monate sollte er einen Käufer finden. Wir schrieben einen Mindestpreis in das Papier. Für jede Mark obendrauf würde der clevere Kerl von uns eine satte Provision einstreichen. Das war mir nur recht. So hatte er ein großes Interesse daran, einen guten Preis zu erzielen.
Nach ein paar Wochen hatte er tatsächlich einen dicken Fisch an der Angel: Es handelte sich um ein Traditionsunternehmen aus Solingen, das einst Rasiermesser und nun Textilien herstellte und damit eine dreiviertel Milliarde Mark Umsatz erzielte. Die beiden Geschäftsführer, zwei Brüder, wollten dem Laden einen frischen Anstrich verpassen. Das war für uns wie ein Sechser im Lotto! Denn man merkte schon bei den ersten Terminen: Die Jungs wollten »Uncle Sam« unbedingt haben.
Nur: Von heute auf morgen ließ sich der Übergang leider nicht bewerkstelligen. Es gab einen regelrechten Katalog an Dingen, die wir gemeinsam abarbeiten mussten! Jeder einzelne Arbeitsvertrag, angefangen von der Putzfrau bis hin zum Chefbuchhalter, musste umgeschrieben werden. Parallel dazu musste ich den kompletten nächsten Katalog für die neuen Eigentümer ausarbeiten – von der Entwicklung der Designs bis zum Foto-Shooting in San Francisco. Auch die Disposition der neuen Ware lief noch komplett über mich. Die Solinger konnten sich nicht so schnellin unser Business einarbeiten. Stattdessen mussten sie eine Firma
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