Von Rache getrieben - Vampirroman (German Edition)
Schließlich war er diese Straße auch entlanggefahren, warum also sollte sie kein anderer benutzen? Oder vielleicht gab es ja in der Nähe ein bewohntes Haus.
Seine Hoffnung begann zu bröckeln, als der Abend näher rückte, und er noch immer keiner Menschenseele begegnet war. Alles, was sich hier herumtrieb, war ein Vampir – und der würde wiederkommen, da war Niklas sich absolut sicher. Keuchend sank er auf seine Knie und streifte umständlich seinen Rucksack ab. Er hatte ihn mitgeschleppt, weil er nicht sicher war, ob er dessen Inhalt noch brauchen würde. Doch jetzt hatte Niklas das Gefühl, dass die zusätzliche Last auf seinem Rücken jeden qualvollen Atemzug unmöglich machte und er den Rucksack keinen weiteren Meter mehr würde tragen können.
Entkräftet fiel Niklas vornüber und fing sich erst im letzten Moment mit den Händen ab. Nach Luft ringend drehte er sich auf seinen Rücken und starrte, zwischen den Blättern der über die Straße hängenden Baumäste hindurch, auf die träge dahinziehenden Wolken. Wenigstens hatte es aufgehört zu regnen.
Während ihm seine bleischweren Lider zufielen, fragte er sich, ob er die kommende Nacht überleben würde. Niklas dachte an den Vampir, sah ihn grinsend auf sich zukommen, sah die langen Fangzähne in der Dunkelheit aufblitzen …
„Nein!“, stieß Niklas atemlos hervor und riss seine Augen wieder auf. So einfach wollte er es Lyonel nicht machen. Noch war er nicht tot, also würde er auch nicht aufgeben.
Eine Stunde vor Sonnenuntergang wählte Lyonel erneut die Notfallnummer des Krankenhauses und zu seiner Überraschung meldete sich wieder Dunja Petrovic. Er hörte die Abgeschlagenheit in ihrer Stimme und fragte sich, ob die Frau nicht schon längst Feierabend haben müsste.
„Ich wollte mich nur erkundigen, wie es dem jungen Mann geht, der auf der alten Straße einen Unfall hatte.“
Dunja erkannte Lyonels Stimme sofort wieder, und der Vampir konnte deutlich ihren tiefen Atemzug hören, bevor sie antwortete:
„Es tut mir leid. Aber heute morgen hat es in einer Fabrik am Stadtrand eine Explosion und daraufhin einen Großbrand gegeben, weswegen wir den Rettungseinsatz abbrechen mussten. Zu allem Überfluss entwickelte sich auch noch eine gefährliche Rauchwolke, die über die Stadt hinweggezogen ist, und die Atemwege der Menschen angegriffen hat. Die Rettungsteams sind nach wie vor im Einsatz und es werden auch noch immer Tote und Verletzte aus der zerstörten Fabrik geborgen. Da es bald dunkel wird, und der Rettungshubschrauber auch noch im Einsatz ist, können wir erst morgen früh wieder mit der Suche nach dem jungen Mann beginnen.“
Das können sie bleiben lassen!“, rief Lyonel vorwurfsvoll, besann sich aber augenblicklich eines Besseren, da ihm klar war, dass die Rettungsteams ihr Bestes gaben. Sie mussten ihre Einsätze nun einmal nach der Schwere der Unfälle richten und konnten nicht an zwei Stellen gleichzeitig sein. Zumal das Krankenhaus nur sehr klein war und nicht gerade vor Ärzten und Rettungssanitätern überquoll.
„Entschuldigung“, sagte er deswegen schnell und fuhr fort:
„Ich habe eine Möglichkeit gefunden, mich selbst um den jungen Mann zu kümmern. Sie brauchen morgen früh niemanden mehr da raus zu schicken.“
Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Lyonel auf und wanderte unruhig durch sein Zimmer. Es ärgerte ihn, dass er die Dunkelheit abwarten musste und das Haus noch nicht verlassen konnte.
3. Lyonel und Elvira
Eine Minute vor Sonnenuntergang betrat Lyonel die Küche, die Elvira gerade verlassen wollte. In ihren blauen Augen lag ein erwartungsvolles Glitzern, was ihn stutzig werden ließ. Er fasste nach ihrem Arm und hielt sie zurück.
„Was hast du vor?“
Sie schenkte ihm ein Lächeln, das den Herzschlag eines jeden Mannes, der ihr wahres Wesen nicht kannte, zum Rasen bringen würde und antwortete:
„Menschenblut trinken gehen, Lyonel, das weißt du doch ganz genau.“
Sie blickte zum geöffneten Küchenfester, atmete tief die hereinströmende Luft durch ihre Nase ein und erklärte:
“Heute Morgen habe ich es nicht mehr gewagt, dem frischen Blutgeruch zu folgen. Schließlich möchte ich in diesen Wäldern nicht als Aschehaufen enden. Aber der Geruch ist noch immer da, wenn auch nicht mehr so intensiv. Das bedeutet, dass irgendwo da draußen, in dieser ach so einsamen Gegend, jemand herumirrt, der verletzt ist. Und den werde ich mir jetzt holen.“
Mit diesen Worten befreite sie ruckartig ihren Arm aus Lyonels
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