Von Rache getrieben - Vampirroman (German Edition)
kurz darauf rasten sie vom Hof Richtung Ferienwohnung.
Zwanzig Minuten später hatten sie Lindau verlassen und ihr Wagen schoss über die dunkle Landstraße, doch am Horizont zeigte sich bereits der erste helle Streifen der Morgendämmerung.
Die rasende Fahrt verlief schweigend, bis Niklas eine Vollbremsung machen musste, da ihnen auf ihrer Spur ein Wagen entgegenkam, der einen LKW überholte. Martin stieß einen entsetzten Schrei aus und als die Gefahr vorbei war, warf Niklas ihm einen besorgten Blick zu.
„Alles in Ordnung?“
„Ja“, stieß Martin schwer atmend hervor und wischte sich mit einer zitternden Hand durch sein Gesicht. „Aber seit meinem Unfall vor zwei Jahren ist mein Nervenkostüm etwas dünn. Es ... es war dunkel, mitten in der Nacht ... da kam uns ein Wagen entgegen, der, genau wie jetzt, plötzlich hinter einem Lastwagen hervorschoss, den er überholen wollte. Der Kerl hatte getrunken, hatte sein Fernlicht an ... und ... ich habe es nicht mehr geschafft, auszuweichen. Ich war völlig geblendet und ...“
Martin verstummte und starrte aus dem Seitenfenster. Nach einer Weile erklärte er leise:
„Seit dem Unfall ist die Schwester meiner Frau gelähmt. Deswegen ist meine Frau auch so oft bei ihr und kümmert sich um sie.“
Niklas hörte die Selbstvorwürfe in Martins Stimme und obwohl er wusste, dass es nicht helfen würde, sagte er:
„Es war ein Unfall. Du konntest nichts dafür.“
„Ich weiß das“, gab Martin zu. „Und es macht mir auch niemand Vorwürfe. Aber ich kann den Unfall einfach nicht vergessen. Ich sehe immer wieder alles vor mir und denke darüber nach, wie ich hätte reagieren müssen. Ich ... wage es nicht mehr, mich hinter ein Steuer zu setzen. Es hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich mich überhaupt wieder in einen Wagen setzen konnte. Hört sich ziemlich bescheuert an, oder?“
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete Niklas und fuhr schweigend weiter, da Martin wieder aus dem Seitenfenster blickte und mit seinen Erinnerungen kämpfte.
10. Hilflos
Lyonel lehnte zusammengekrümmt an der Felswand, schaffte es jedoch nicht, seinen verschwommenen Blick von dem Bildschirm hinter den Gitterstäben abzuwenden. Dort lief als Dauersendung Elviras Video und Lyonel hatte aufgehört zu zählen, wie oft er es nun schon gesehen hatte. Anfangs hatte er geschrien, hatte Elvira verflucht und verzweifelt versucht, sich aus seinem Gefängnis zu befreien. Jetzt schaffte er es kaum noch, seinen Arm zu heben, denn das silberne Gift hatte sich mittlerweile vollständig in seinem Körper ausgebreitet. Die Krämpfe, die vor zwei Stunden begonnen hatten, kamen nun in immer kürzeren Abständen. Krämpfe, von denen Lyonel glaubte, sie würden seine Muskeln auseinanderreißen.
Dennoch waren all diese Schmerzen nichts im Vergleich zu den Qualen, die in seinem Herzen, seiner Seele tobten. Er hatte versagt. Er, der vierhundert Jahre alte Vampir, hatte eine Frau unterschätzt, die er unter normalen Umständen zum Frühstück verspeisen würde, ohne sich sonderlich anstrengen zu müssen. Umso heftiger traf ihn nun seine Niederlage und die grausame Erkenntnis, dass er den Menschen, die er liebte, nicht helfen konnte. Dass er sie dadurch verraten hatte, dass er Elvira vor ein paar Wochen in Serbien hatte gehen lassen, anstatt sie zu töten. Er hatte gewusst, dass sie sich an ihm rächen würde, jedoch geglaubt, mit ihr fertig zu werden. Ihm war überhaupt nicht in den Sinn gekommen, dass sie sich nicht nur auf ihn konzentrieren würde, aber er hätte es wissen müssen. Er hatte einen Fehler gemacht, für den Rachel, Sarah und die anderen nun bezahlen mussten.
Erneute Krämpfe unterbrachen seine Selbstvorwürfe und sein zuckender Körper sackte hilflos zur Seite. Als der qualvolle Schmerz endlich nachließ, öffnete Lyonel keuchend seine Augen und blickte in den heller werdenden Himmel - und auch der letzte Funke Hoffnung, an den er sich bisher noch geklammert hatte, begann zu sterben. Niklas hatte seine Nachricht auf dem Video nicht verstanden, oder falls doch, ihn und die Frauen nicht ausfindig machen können. Oder Elvira hatte auch ihm bereits etwas angetan.
Erneut versank Lyonel in seine Selbstvorwürfe, drehten seine Gedanken sich um sein Versagen - bis sein Körper von den nächsten Krämpfen geschüttelt wurde.
***
Elvira war noch immer wütend auf Niklas, als sie, zehn Minuten vor dem Morgengrauen, das von Franz Schneider erworbene Grundstück erreichte. Sie hasste alles, was mit Silber zu
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