Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
geworden wäre.«
»Peter, was hast du getan?«
»Ich habe Gibson eröffnet, dass du ihm immer sehr zugetan gewesen seist.«
Sie stöhnte vernehmlich. »Ohne mich vorher zu fragen?«
»Ich wusste, dass du es mir nicht erlauben würdest, aber du musstest für dich einfach Klarheit gewinnen. So oder so. Ich fand, du solltest das bekommen, was du wirklich willst.«
»Um das zu erreichen, hast du mein Geheimnis verraten?«
»Und du hast das meiner Schwester verraten, was nicht schlimm ist. Sie allerdings zu ermutigen, sich mit Wythorne zu treffen, der ein völlig indiskutables Verhalten an den Tag gelegt hat, das grenzt an Verrat«, hielt er ihr mit finsterer Miene entgegen.
Seine Worte ließen sie zusammenzucken, und unwillkürlich traten Tränen in ihre Augen.
»Auf deine Bitte hin habe ich mich bemüht, deiner Schwester zu helfen. Es war ein schmaler Grat, auf dem ich mich bewegen musste, um ihr Vertrauen zu gewinnen. Mag sein, dass ich dabei nicht immer in deinem Sinn gehandelt habe, doch ich finde, man muss ihr diese Chance lassen, Peter. Sie fordert sie außerdem ein.«
Er nickte und zog sich weiter an. Während sie ihn beobachtete, überfiel sie ein ungutes Gefühl.
»Wir unterhalten uns wieder, wenn wir uns etwas beruhigt haben«, sagte er, bevor er über den Balkon verschwand.
Sie wollte ihn zurückrufen, aber kein Ton drang über ihre Lippen.
Kapitel 24
Vauxhall Gardens war ein Ort wie im Märchen, der die Besucher verzauberte und überwältigte. Mary Anne, die sich hinter ihrer Maske sicher fühlte, ging an Thomas Wythornes Seite durch den großen Park, in dem ein Orchester in einem tempelähnlichen Pavillon spielte, Bäume mit Tausenden farbiger Lämpchen geschmückt waren und die Wege voll waren mit Mengen lachender, lärmender Gäste.
Der Abend kam ihr wie ein Märchen vor, in dem sie die Prinzessin war, vor allem wenn er sie ansah und lächelte.
Sie hatten ihre Gruppe verlassen und gingen jetzt zu zweit durch die Menge. Mary Anne konnte es nicht fassen, wie einfach es war, sich mit diesem Mann zu unterhalten. Zunächst über Billard natürlich, aber bald fanden sie heraus, dass es ein paar Bücher gab, die sie beide schätzten. Was sie allerdings in erster Linie verband, das war der gleiche respektlose Humor.
Je weiter sie sich vom Hauptplatz entfernten, wo das Orchester spielte, desto weniger Menschen trafen sie, und als Mary Anne die weißen Säulen eines Tempels entdeckte, der unter den Bäumen stand, eilte sie vom Weg hinunter und die Stufen hinauf. Als sie sich wieder umdrehte und gehen wollte, stand er plötzlich da – zwei Stufen unter ihr und damit auf Augenhöhe.
Sie erstarrte, und ihr Lächeln erlosch. Nicht aus Angst indes, sondern weil sie eine merkwürdige Erregung in sich aufsteigen fühlte. Es war schön, einen Mann so dicht neben sich zu fühlen.
Und als er sich nach vorne beugte und sie küsste, berührten seine Lippen flüchtig ihren Mund, als sei es ein federleichtes, zärtliches Streicheln.
Sogleich trat er mit schuldbewusster Miene zurück. »Das hätte ich nicht tun dürfen. Sie sind noch unschuldig und haben sich mir heute Abend anvertraut. Ich hingegen bin bereits ein ziemlich sündenbeladener Mensch.«
»Und bin ich so vollkommen?«, fragte sie leichthin. Sie wunderte sich über ihren Mut, doch da war es bereits zu spät. Zitternd streckte sie die Hand aus und berührte seine Wange. »Erzählen Sie mir, was Sie bedrückt.«
Er holte tief Luft, und seine im Schatten liegenden Augen ließen ihn unnahbar erscheinen. »Sie sollen die ganze Wahrheit erfahren. Ich habe Ihnen erzählt, dass Lady Elizabeth mich abgewiesen hat und ich es nicht gut aufnahm.«
Mary Anne nickte aufmunternd, obwohl sich in ihrem Magen ein Klumpen zu bilden schien.
»Ich log und erzählte ihr, dass jemand … ihr Geheimnis kennen und es enthüllen würde. Damit wollte ich sie dazu bewegen, mich zu heiraten – sie sollte glauben, nur ich würde sie vor einem Skandal bewahren können.«
Sie sah ihn fassungslos an, denn auf so etwas wäre sie nie gekommen.
»Ich hatte nicht das Recht, sie meinem Willen zu unterwerfen oder es zumindest zu versuchen. Frauen müssen sich aus freien Stücken entscheiden, sonst ist eine Ehe zum Scheitern verurteilt. Das habe ich inzwischen erkannt, nur damals in meiner Wut kümmerte mich das nicht. Ich dachte, sie sei im Unrecht, und war entschlossen zu demonstrieren, dass ihr eigentlich keine Wahl blieb. Ich hatte nicht ihr Bestes im Sinn, wie ich vorgab,
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