Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
verdrehte, wurden sie durch die nächste Tanzfigur bereits wieder getrennt. Mehrere Minuten später trafen sie im Kreis aufeinander, und sie flüsterte: »Ich wusste, dass du damit kein Problem haben würdest – wie ich hörte, bist du durchaus gelegentlich mit Frauen alleine. Damen von zweifelhaftem Ruf.«
Unschuldig riss er die Augen auf. »Elizabeth, ich habe keine Ahnung, wovon du redest. Du klingst ja fast eifersüchtig.«
Sie ignorierte seinen Versuch, sie aufzuziehen. »Wir treffen uns im kleinen Salon am anderen Ende des Flures.«
»Dort spielen die Männer Karten.«
»Verflixt.«
Erneut wurden sie voneinander getrennt, und er musste unwillkürlich über ihre Verärgerung grinsen. Sie schien ganz erpicht darauf, sich ungestört mit ihm zu treffen. Nur sie beide – ein erfreulicher Gedanke.
Als sie wieder zusammenkamen, sagte sie: »Die Bibliothek.«
»Wenn die belegt sein sollte«, sagte er, »könnten wir vielleicht in den Garten gehen.«
Sie warf ihm einen betrübten Blick zu.
»Elizabeth…«, setzte er an und runzelte die Stirn. Doch sie unterbrach ihn, ehe sie durch die nächste Tanzfigur voneinander getrennt wurden.
»Die Bibliothek«, wiederholte sie. »Du gehst zuerst hin und siehst nach, ob sie leer ist. Ich folge dir fünf Minuten später.«
Dann machte sie einen Knicks, er verbeugte sich, und sie verließen die Tanzfläche in entgegengesetzten Richtungen.
Peter wartete bereits in der Bibliothek neben der Tür, als sie hereinkam. Sie zuckte zusammen, aber er hielt nur schweigend einen Schlüssel hoch, und sie nickte. Nachdem er die Tür abgeschlossen hatte, lehnte er sich mit dem Rücken dagegen und musterte sie.
Von der ruhigen Anmut, die sie sonst ausstrahlte, war nichts zu sehen. Fahrig, ja rastlos umrundete sie die ledernen Ohrensessel und ließ ihre Blicke über die Regale gleiten, als suche sie nach einem Buch. Neugierig und trotzdem geduldig beobachtete Peter sie und wartete ab.
Schließlich holte sie tief Luft und drehte sich zu ihm um. Ihre dunklen Augen flammten vor wütender Entschlossenheit. Er näherte sich ihr mit wachsendem Unbehagen.
Als er nach ihren Händen griff, entzog sie ihm diese nicht. Ihre Haut fühlte sich zart und weich an, doch ihre Finger waren kalt.
»Elizabeth, sag mir, was los ist. Ich weiß schon seit mehreren Tagen, dass dich etwas beunruhigt, und ich kann nicht glauben, dass es nur wegen dieser Wette ist.«
Sie öffnete den Mund, zögerte, und dann strömten die Worte plötzlich wie ein Wasserfall über ihre Lippen. »Ich brauche deine Hilfe. Du musst in den nächsten paar Wochen so tun, als seist du mein Verlobter.«
Mit so etwas hatte er eindeutig nicht gerechnet. Verblüfft und besorgt zugleich spürte er nichtsdestotrotz Verlangen in sich aufsteigen. Er fragte sich, wie es sich wohl anfühlen würde, wenn sie wirklich verlobt wären. Aber das wollte sie leider nicht.
Was trieb sie bloß zu diesem Schritt.
Sie versuchte ihm ihre Hände zu entziehen. »Sag doch etwas, Peter!«
Er ließ sie nicht los, sondern meinte sanft: »Du kannst mir keinen Antrag machen, ohne mir zu sagen, warum.«
»Das ist kein Antrag! Kein richtiger«, fügte sie hinzu und ließ die Schultern hängen.
»Elizabeth …«
»Ich kann nicht darüber reden, Peter. Ich dachte, dass du mir um unserer Freundschaft willen helfen würdest.«
»Elizabeth …«
Wieder unterbrach sie ihn. »Und wenn das nicht reicht, schlage ich dir einen Handel vor. Wenn du bei der Scheinverlobung mitmachst und mir erlaubst, sie wieder zu lösen, sobald es nötig ist, werde ich dir die Wahrheit über das Gemälde verraten.«
Sie musterte ihn mit großer Eindringlichkeit, und Peter hatte den Eindruck, dass sie die Luft anhielt, während sie auf seine Antwort wartete. Etwas Dramatisches musste geschehen sein, und das wollte er herausfinden. Zum Teufel mit der Wette.
»Elizabeth, du kannst nicht ernsthaft davon ausgehen, dass ich bei einer so haarsträubenden Sache keine Fragen stelle.«
»Ich kann es dir nicht erklären, Peter. Mein einziges Entgegenkommen besteht darin, dass ich dir helfe, die Wette zu gewinnen. Was solltest du sonst noch wollen?«
Er zog ihre Hände hoch und drückte sie an seine Brust. »Elizabeth, das ist … verrückt. Willst du deiner Mutter etwa erzählen, dass wir verlobt sind? Oder deinem Bruder? Deinen Freunden? Warum solltest du so etwas tun?«
Sie schien weiterhin entschlossen, sich ihm nicht anzuvertrauen. War ihr denn nicht klar, dass sie gezwungen wären,
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