Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
glaubst.«
»Vertraut?«, wiederholte Elizabeth und fragte sich, was damit wohl gemeint war.
»Ich denke, du hattest dir mehr Aufmerksamkeit erwartet«, fuhr ihre Mutter fort.
»Nein, da täuscht du dich«, erklärte Elizabeth und entzog ihr lächelnd ihre Hand. »Um auf Peter zurückzukommen: Ich lerne ihn zurzeit von einer Seite kennen, die ich nie für möglich gehalten hätte. Also, so vertraut ist er mir wiederum nicht.«
Die Mutter nickte. »Dann versprich mir zumindest, vorsichtig zu sein.«
»Ich bin vorsichtig.« Etwas sanfter setzte sie hinzu: »Ich habe Gefühle für Peter entwickelt, die über eine reine Freundschaft hinausgehen.«
Sie musste einerseits das Misstrauen ihrer Mutter beschwichtigen und sie andererseits auf die bevorstehende Verlobung vorbereiten.
Doch statt zu lächeln, musterte diese sie nur noch durchdringender. »Sei geduldig mit diesen Gefühlen, Elizabeth. Prüf dich, ob sie wirklich echt sind.«
»Das werde ich, Mama. Ich verspreche es dir.« Dann umarmte sie ihre Mutter. Sie liebte sie zwar dafür, dass sie sich um sie sorgte, gleichzeitig musste sie sie beschwichtigen, um ihre bohrenden Fragen abzustellen.
Peter war noch keine Stunde zu Hause, als die Einladung zum Dinner in Madingley House eintraf. Er saß am Schreibtisch in seinem Zimmer und ging gerade seine Post durch, als Mary Anne ohne anzuklopfen hereingestürmt kam und mit gerunzelter Stirn auf ihn zumarschierte.
Peter lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ein Glück, dass ich nicht gerade dabei war, mich umzuziehen.«
Seine Schwester warf einen Brief auf den Schreibtisch, auf dem in zierlicher, weiblicher Handschrift sein Name stand.
»Der wurde gerade abgegeben«, meinte sie mit einem Naserümpfen.
Er kam nicht umhin zu bemerken, dass ihr Kleid von einem wenig schmeichelnden Dunkelbraun war, wie Gouvernanten es zu tragen pflegten. Ein paar rote und gelbe Bänder, dazu ein paar hübsche Stoffblumen am Mieder könnten Wunder bewirken und würden ihr helles Haar und die schönen blauen Augen aufs Vorteilhafteste betonen.
Aber es war unmöglich, ihr das zu sagen, zumal sie es sicher bereits zur Genüge von der Mutter gehört hatte. Deshalb grinste er sie nur an und öffnete den Brief. Er enthielt eine Einladung der Herzoginwitwe für den heutigen Abend. Er zog eine Augenbraue hoch und überlegte, was das wohl zu bedeuten hatte.
»Ist er von Lady Elizabeth?«, fragte Mary Anne kühl.
»Nein, von ihrer Mutter. Sie lädt mich zum Dinner ein.«
Mary Anne stützte sich mit den Händen so fest auf dem Schreibtisch auf, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.
»Keine Sorge. Du bist nicht eingeladen.«
Sie entspannte sich etwas. »Ich weiß nicht, ob ich wirklich erleichtert sein soll.«
»Wie kommt’s?«
»Ich kann mir vorstellen, dass sie einen herrlichen Billardtisch haben.«
Er schüttelte den Kopf.
»Na gut, liebster Bruder, dann geh du mal alleine in die Höhle des Löwen.« Sie musterte ihn, während sie mit einem Stück Siegellack spielte. »Warum lädt sie dich so kurzfristig ein?«
Er legte den Kopf auf die Seite, als würde er über ihre Frage nachdenken. »Vielleicht hat ein Gast in letzter Minute abgesagt und sie braucht jemanden, um eine gerade Anzahl von Gästen zu haben?«
Er hatte erwartet, dass sie lachen würde, doch stattdessen sah sie ihn finster an. »Sie nutzen dich aus.«
»Nicht Elizabeths Mutter, die verwitwete Duchess«, erwiderte er. »Nein, das mit der Gästezahl war bloß ein Scherz. Es geht um etwas anderes. Um Elizabeth.«
So. Jetzt war das Thema zumindest mal angeschnitten, denn bald würde es ohnehin Gegenstand aller Gespräche sein. Er hatte das Gefühl, es sei besser, seine Schwester vorsichtig auf die Überraschung vorzubereiten. Richtiger gesagt, auf die Lüge.
Lügen waren niemals eine Lösung. Er rieb sich die Stirn und fragte sich zum wiederholten Mal, was so schlimm sein mochte, dass Elizabeth es ihm nicht erzählen konnte. Jedenfalls brauchte sie seine Hilfe.
Ehe er etwas sagen konnte, meinte seine Schwester: »Ich mag sie nicht.«
»Mary Anne, warum denn nicht?«
»Sie ist überheblich! Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der sich für so vollkommen hält.«
»Sie hat nie diesen Eindruck zu erwecken versucht. Sie ist eine wunderschöne Frau, und dass sie in eine solche Familie hineingeboren wurde, kannst du ihr kaum vorwerfen. So etwas ist Glück.«
»Glück? Schön, vielleicht ist das ja der Grund, warum sie immer lächelt. Sie wirkt wie eine Puppe,
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