Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
zu entlocken.
»Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen.« Er nahm wieder einen großen Schluck von seiner Limonade.
Die Sonne brannte recht erbarmungslos vom Himmel an diesem zumindest für London ungewöhnlich heißen Tag. Das Tuch war ihr von den Schultern gerutscht und lag unordentlich hinter ihr. Die Haube allerdings behielt sie auf, da sie ihr Gesicht vor direkten Sonnenstrahlen schützte.
Elizabeth ließ nicht locker. »Dann gibst du also zu, auch nicht immer alles zu erzählen und damit andere zu täuschen?«
»Als was würdest du unsere Verlobung denn sonst bezeichnen? Sie ist eine einzige Täuschung.«
Sie verdrehte die Augen. »Ich spreche von Emily.«
»Im Zusammenhang mit Emily wurde keiner getäuscht, Elizabeth«, erklärte er.
Obwohl ein Lächeln um seine Lippen spielte, war ihre Neugier eher größer denn kleiner geworden.
»Wusstest du, dass Emily ein Kind erwartet?«, fragte sie, während sie ihn eindringlich musterte, um zu sehen, wie er auf diese Neuigkeit reagierte.
Seine Miene drückte echte Freude aus. »Wie schön für die beiden. Sie werden fantastische Eltern sein.«
Nun, das hatte sie keinen Schritt weitergebracht.
Er griff in den Korb und holte ein kleines Törtchen hervor. Doch statt es auf ihren Teller zu legen, hielt er es ihr mit einem herausfordernden Gesichtsausdruck vor den Mund.
Sie wusste, dass sie es ihm eigentlich aus der Hand hätte nehmen müssen, denn bestimmt galt es als unanständig, sich von einem Mann füttern zu lassen. Dennoch hielt sie seinen Blick fest, beugte sich nach vorne und biss von dem kleinen Kuchen ab. Seine Augen fingen an zu glitzern, und ohne sich zu fragen, was sie wohl dazu trieb, verweilte sie einen Moment in dieser Haltung, während ihre Lippen seine Finger fast berührten. Er mochte wissen, wie man einer Frau den Hof machte, aber ganz als Schülerin wollte sie nicht dastehen, sondern das Spiel mitbestimmen.
Er lachte, während er seine Hand wegzog, und in seinem Blick lag eine Verruchtheit, die ihr bewies, dass er jede Herausforderung annehmen würde.
Plötzlich spürte sie ein seltsames Kribbeln am Bein. Sie strich über ihre Röcke, und während Peter sie noch fragend anschaute, entdeckte sie schon eine Ameise auf ihrem Teller. Schreiend schlug sie um sich.
»Was ist los?«, rief er und erhob sich auf die Knie.
»Ameisen!« Sie hatte plötzlich das Gefühl, als würden Hunderte davon über ihre Beine krabbeln. Es gelang ihr gerade noch, einen Entsetzensschrei zu unterdrücken. »Tu doch was, Peter!«
»Du weißt, dass ich dir jederzeit zu Diensten stehe, aber ich bezweifle, dass ich dir im Hyde Park unter das Kleid greifen sollte. Steh erst einmal auf.«
»Mist«, rief sie verärgert und erhob sich, schüttelte ihre Röcke so heftig, dass sie um ihre Beine schwangen.
Dankbar für die Wende, die das Picknick genommen hatte, ließ Peter sich entspannt auf die Decke zurücksinken und genoss das Schauspiel, das sich ihm bot. Und ihr Unbehagen. Alles war ihm recht, solange es seine körperlichen Reaktionen auf sie verringerte.
Eigentlich war das Törtchen als Ablenkungsmanöver gedacht, damit sie aufhörte, nach Emily zu fragen, doch der Schuss war nach hinten losgegangen. Als sie sich vorbeugte und ihr Mund ganz dicht vor seiner Hand war, während ihre unschuldigen Augen herausfordernd blitzten, da wäre er am liebsten aufgesprungen, um sie an sich zu reißen und sie zu küssen. Vor allen Leuten im Hyde Park. Insofern kamen die Ameisen wie ein Geschenk des Himmels.
Als er zu ihr aufschaute, musste er die Augen zusammenkneifen, denn sie stand da übergossen von gleißenden Sonnenstrahlen, die den weißen Grund ihres Kleides leuchten ließen. Und die blauen Blümchen darauf wirkten, als sei ein Füllhorn über ihr ausgeschüttet worden. Zusammen mit der passenden Haube mit Bändern und Seidenblumen ein bezauberndes Bild, das kein Maler besser hinbekommen hätte. Dazu eine süße Verführung wie von der geschickten Hand eines Patisseurs, die zum Naschen einlud.
Geduld, mahnte er sich. Es ging um mehr, als ihr nur kurzfristig aus der Patsche zu helfen. Er musste sie verstehen und ihr Vertrauen dauerhaft gewinnen. Und ihre Zuneigung. Nur: Was wollte er genau von ihr? Darüber dachte er vorerst lieber nicht nach.
»Sind da noch immer Ameisen?«, fragte er träge.
Sie schüttelte den Kopf. »Warum packst du nicht alles wieder in den Korb? Hier können wir nicht bleiben. Vielleicht zeigst du mir stattdessen, wie schnell
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