Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
von William war eigentlich nichts gekommen, was diese Einschätzung rechtfertigte.
Am späten Vormittag, nachdem alle die Zeitungen verschlungen hatten, gingen die ersten Einladungen ein. Alle waren begierig darauf, Details oder gar Hintergründe dieser merkwürdigen Verlobung zu erfahren. Bestimmt würde sie eine ganze Weile das Stadtgespräch sein.
Sollten sie doch reden, dachte sie voller Befriedigung. Je mehr es wussten, desto eher würde Thomas Wythorne zu der Einsicht gelangen, dass es besser sei, sie in Ruhe zu lassen.
Unter den Briefen befand sich auch ein Schreiben von Mary Anne Derby. Kein Glückwunsch, keine Einladung, sondern eine Absage wegen des gemeinsamen Stadtbummels. Nicht einmal einen Ausweichtermin schlug sie vor. Aber auch was das anging, würde Elizabeth sich nicht so schnell geschlagen geben. Sie betrachtete die Ablehnung als ein kleines Gefecht zum Aufwärmen.
Kurz darauf holte Peter sie zum Lunch bei seiner Mutter ab. Sie war enttäuscht, dass sie wegen eines Regenschauers mit seiner Familienkutsche vorlieb nehmen musste, denn viel lieber wäre sie wieder mit dem schnittigen und eleganten Phaeton gefahren.
»Sieh es anders«, sagte er. »Dafür haben wir jetzt Gelegenheit, deine Lehrstunde fortzusetzen.«
Sie musterte ihn argwöhnisch. »Was meinst du damit?«
»Bist du je mit einem Mann, den du bewunderst, in einer Kutsche gefahren?«
»Ja.«
»Und hat er dich die ganze Zeit angeschaut?«
»Wir waren nicht alleine«, erklärte sie gepresst. Diese Unterhaltung war ihr in mehrerlei Hinsicht unangenehm.
»Was hättest du denn getan, falls du es gewesen wärst?«
Sie zögerte.
»Du würdest lächeln und dich höflich unterhalten, wie man es dir beigebracht hat.«
»Komm endlich zur Sache, Peter. Bis zu deinem Haus ist es nicht mehr weit. Und davon abgesehen würde ich nie mit ihm alleine sein, außer wir fahren in einer offenen Kutsche, bei der meine Zofe gleich hinter uns säße. Wir beide sind schließlich nur deshalb ohne Begleitung, weil alle uns für verlobt halten.« Sie klang abwehrend und nervös und hasste es, sich ihm so zu zeigen.
»Wenn du nicht mit ihm alleine sein kannst«, murmelte er heiser, »musst du ihn dazu bringen, es sich zu wünschen.«
Ihr fiel fast das Kinn herunter, dann zuckte sie zusammen, denn zu allem Überfluss berührte jetzt seine Stiefelspitze ihren Schuh. »Peter …«
»Lass mich ausreden. Stell dir vor, wie überrascht er sein wird, wenn du ihn berührst. Er wird denken, dass es zufällig passiert sei, und erst beim zweiten Mal weiß er, dass es Absicht war.«
»Ich kann doch unmöglich etwas so … Offensichtliches tun.«
»Hast du mit Zurückhaltung bislang etwas erreicht?«
Sie zögerte: »Nein, habe ich nicht. Trotzdem wird er denken, dass ich meine Neigung zu freizügig zeige.«
»Wäre das nicht die Gelegenheit?«
Sein Stiefel befand sich immer noch unter ihren Röcken, wo er an ihrem Schuh und dann an ihrem Spann entlangstrich. Sie hatte die Füße eng nebeneinandergestellt und presste die Knie zusammen, doch er fuhr einfach über den Spalt zwischen ihren Unterschenkeln und schob dabei ihre Röcke nach oben.
»Peter«, zischte sie höchst beunruhigt, und doch pochte das Blut laut in ihren Ohren, als kühles Leder über ihre Seidenstrümpfe glitt.
»Du solltest einmal darüber nachdenken«, flüsterte er. »Denn dann würde er zu überlegen beginnen, was er tun würde, wenn ihr alleine wärt … Er könnte sich neben dich setzen beispielsweise …« Er erhob sich und ließ sich auf ihrer Seite auf die Bank sinken. »Und hoffen, dass du ihn willkommen heißt.«
»Willkommen heißen?«
Als sie zurückwich, beugte er sich über sie, stützte sich neben ihr auf der Bank ab. Elizabeth fand es schrecklich heiß und trocken in der Kutsche, in der die Fenster wegen des Regens geschlossen waren. Ihr Mund fühlte sich staubtrocken an, und sie musste schlucken. Sie wandte den Blick ab, um ihm nicht in die Augen schauen zu müssen, und tat so, als würde sie durch die regennasse Scheibe die Straße betrachten. Dann spürte sie eine ganz leichte Berührung an ihrer Schläfe und merkte, dass er mit seiner Nase zart über ihr Haar fuhr.
In diesem Moment wurde die Kutsche langsamer und blieb stehen. »Du kannst jetzt wieder von mir abrücken«, sagte sie.
Sie versetzte ihm einen Stoß, und er ließ sich lachend zurück auf seine Bank fallen.
»Ich kann spüren, wie angespannt du innerlich bist, Elizabeth«, raunte er. »Dein ungestümes
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