Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
Mary Anne, und Elizabeth hatte den Eindruck, dass sie sich mit einem Mal gänzlich in ein Schneckenhaus zurückzuziehen schien. Warum nur?
Sie war erleichtert, als zu Tisch gebeten wurde, denn ständig eine freudige Miene über eine vorgetäuschte Verlobung aufzusetzen, erwies sich doch als recht schwierig. Sie spürte, dass es auch Peter nicht leichtfiel, seiner Familie etwas vorzumachen.
Nach beendeter Mahlzeit begleiteten die Brüder die Damen zurück in den Salon. Als Mary Anne sich bald darauf verabschiedete, raunte Elizabeth Peter zu, dass sie sich ebenfalls kurz zurückziehen werde. Statt das Badezimmer aufzusuchen, folgte sie Mary Anne und fand sie wie vermutet im Billardzimmer, voll konzentriert ins Spiel vertieft. Elizabeth blieb im Flur stehen und beobachtete sie. Jeder Stoß war eine genau berechnete Bewegung, und das Gesicht spiegelte keine Gefühlsregung wider. Der stillen Beobachterin kam der Gedanke, dass sie vielleicht nur etwas verdrängte, woran sie nicht erinnert werden wollte.
Eine Hand berührte ihren Ellbogen. Sie schaute auf und sah Peter hinter sich stehen. Er bedeutete ihr mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Zusammen traten sie in einen kleinen Salon, in dem Handarbeitskörbchen neben dem Sofa standen und ein Kartenspiel in der Mitte eines kleinen Tisches beim Fenster auf die nächste Partie wartete.
»Dachtest du, ich hätte dir bezüglich ihrer Besessenheit vom Billard etwas vorgemacht?«, fragte er trocken.
»Natürlich nicht. Ich glaube allerdings, sie spielt jetzt, weil sie ihren Ärger über mich abreagieren will. Hast du ein solches Verhaltensmuster schon früher bei ihr bemerkt?«
»Nein, aber ich habe erst vor ein paar Tagen angefangen, mir überhaupt Gedanken zu machen. Doch was du sagst, scheint einleuchtend. Wenn man sich auf irgendetwas konzentriert, kann man Unangenehmes verdrängen.«
»Sprichst du aus Erfahrung?« Jetzt war sie es, die einen trockenen Tonfall anschlug.
»Das Einzige, worauf ich mich derzeit konzentriere, bist du.«
»Vielleicht ist es das, was Mary Anne stört.«
Sein Lächeln verblasste. »Ja, das habe ich auch schon überlegt. Vielleicht hätte ich mehr Zeit mit ihr verbringen müssen, aber ich war immer so beschäftigt.«
»Deine Geschäfte mit der Eisenbahn.«
Er nickte.
»Hat Matthew dir dabei geholfen?«, fragte sie.
»Wer hat dir denn das erzählt?«
»Emily, glaube ich. Sie erwähnte einmal, dass ihr beiden euch über lukrative Investitionen unterhalten hättet.« Sie zögerte, weil sie eine gewisse innere Abwehr bei ihm spürte. »Ist das ein Geheimnis?«
»Nein. Wenn es damit nicht seine Ordnung hätte, würden alle noch mehr glauben, dass ich dich nicht verdiene.« Er strich mit einem Finger über ihre Wange.
»Wenn deine Zusammenarbeit mit Matthew kein Geheimnis ist, warum bist du dann so unnahbar, wenn das zur Sprache kommt?«, hakte sie nach, bevor er endgültig das Thema wechselte.
Er berührte sie immer noch, strich eine widerspenstige Locke hinter ihr Ohr und brachte sie damit zum Beben.
»Was willst du sonst noch wissen, außer dass Matthew mir geholfen hat«, sagte er schließlich. »Für mich war das Eisenbahngeschäft Neuland, und er stellte für mich zusätzliche Kontakte her. Die ersten hatte ich bereits früher. Das ist alles, Elizabeth.«
Während er sprach, ließ er nicht von ihr ab, und es beunruhigte sie, welch seltsame Empfindungen er allein mit einem Blick oder einer Berührung in ihr wecken konnte. Er verwirrte sie, machte ihren Körper empfänglich und heiß. Brachte sie dazu, sich nach Dingen zu sehnen, die sich nicht schickten und gar nicht zu ihren Vorstellungen von einer normalen Ehe ohne Höhen und Tiefen passten. Wie etwa nach zügellosen Gefühlen, die sie an ihrem Verstand zweifeln ließen und in ihr den Wunsch weckten, allen Anstand und alle Sittsamkeit, um die sie in den letzten Jahren gerungen hatte, leichten Herzens wieder über Bord zu werfen.
Kapitel 12
Als Peter am Abend desselben Tages mit Elizabeth an seiner Seite am Eingang zu Lord Ludlows Ballsaal stand, kam ihm alles ein bisschen unwirklich vor. Zuvor hatte die tonangebende Gesellschaft nie von ihm Notiz genommen, doch plötzlich stand er im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, und alles, was er tat oder getan hatte, war Futter für die stets hungrige Gerüchteküche.
Und er war sicher, dass die Klatschmäuler, wenn es ihnen nicht reichte, was sie geboten bekamen, graben würden, bis sie etwas fanden. Leider, denn es gab durchaus
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