Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
hätte ich dir all das eigentlich gestehen sollen?«
»Als du mich um Hilfe gebeten hast.«
Sie presste die Lippen zusammen.
»Und wofür soll nun diese Scheinverlobung gut sein?«, fragte er mit leiser Stimme.
»Das ist nicht wegen William.« Sie unterbrach sich, als sie merkte, dass sie kurz davorstand, Peter alles zu erzählen. Vor ihrem inneren Auge sah sie ein blutiges Duell im Morgengrauen, Peter, der am Boden lag, und Thomas, der triumphierend über ihm stand. Ihr lief ein Schauer über den Rücken. Nein, das durfte sie nicht riskieren.
Sie versuchte, die Wahrheit etwas abzuändern. »William ist nicht der einzige Grund, weshalb ich eine Verlobung wollte. Erinnerst du dich an die Männer, die mich so hartnäckig bedrängten?«
»Ja, aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Was nützt dir die Verlobung in Bezug auf Gibson?«
»Ich wollte ihn eifersüchtig machen. Er sollte erkennen, dass er mich vielleicht nicht mehr haben kann«, erklärte sie. Jetzt hörten sich ihre Worte irgendwie albern an und ein bisschen theatralisch.
Peters Miene blieb ausdruckslos. »Dann erzähl doch mal, was ihn so besonders für dich macht«, forderte er sie auf.
Sie holte zittrig Luft und wusste nach wie vor nicht, was er bezweckte. »Nun, er sieht natürlich gut aus, und deshalb habe ich mich als junges Mädchen bestimmt in ihn verliebt.« Es war ihr schrecklich peinlich, vor Peter über einen anderen Mann zu sprechen. »Und dann gefiel mir seine Unbeschwertheit und dass er immer lacht und völlig sorglos scheint. Und ich wusste, dass er es nicht auf meine Mitgift abgesehen hat.«
»Er scheint ja der reinste Übermensch zu sein«, meinte Peter trocken.
»Ich verstehe nicht, was du damit meinst.«
»Nichts Besonderes, vergiss es. Aber ich kapiere noch immer nicht, warum du dir einbildest, ihn zu lieben. Dazu gehören eigentlich zwei, denn Gefühle müssen auf Gegenseitigkeit beruhen.«
»Man kann niemanden zur Liebe zwingen.«
»Wie viele Jahre willst du weiterwarten, Elizabeth, ehe du erkennst …«
»Hör auf, Peter. Du brauchst mir keine Vorträge zu halten.«
Ihre Röcke flatterten, als sie aufsprang. Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen, eilte sie in die Loge zurück. Der zweite Akt hatte angefangen, der Gang lag verlassen da, die Musik wurde immer lauter – und Peter fühlte sich erbärmlich.
Er und Elizabeth litten unter dem gleichen Problem: Sie hatten sich beide einen Menschen in den Kopf gesetzt, der ihre Gefühle nicht erwiderte. Niemand konnte ihn davon abbringen, sie nicht mehr zu lieben – also durfte er es auch nicht von ihr verlangen. Doch selbst wenn sie weiterträumte, dass Gibson sich ihr eines Tages zuwandte – er würde nicht aufgeben.
Weil er sie liebte.
Immerhin hatte der andere jetzt ein Gesicht, und schon der Gedanke, dass Elizabeth versuchen könnte, Gibson zu verführen, brachte sein Blut zum Kochen. Aber würde sie es wirklich tun? Der Plan stammte aus einer Zeit, als sie Leidenschaft und Begehren noch nicht kannte, da redete es sich leicht von Verführen.
Nur: Gewissheit gab es für ihn nicht. Noch nicht.
Die nächsten Tage blieb Peter Madingley House fern. Elizabeth beschäftigte sich mit Besuchen, mit ihren Wohltätigkeitsprojekten und den Vorbereitungen für ihre Verlobungsfeier. Doch jedes Mal, wenn sie Zeit zum Nachdenken fand, ging ihr Peter nicht aus dem Kopf.
Sie redete sich ein, dass das normal sei, und hoffte, dass er jetzt, wo er von William wusste, begriff, warum ihre unschickliche Leidenschaft für ihn sie so beunruhigte. Trotzdem wollte sie nicht, dass er auf sie böse war oder dass ihre Freundschaft darüber in die Brüche ging.
Beim Abendessen im Familienkreis zog man sie mit der Abwesenheit ihres Verlobten auf, und sie bemühte sich, sich nichts von ihren Sorgen anmerken zu lassen. Auch nicht, als sie später am Abend, als alle im Salon zusammensaßen, immer wieder auf ihr Brautkleid oder den künftigen Wohnsitz angesprochen wurde. Sie versteckte sich hinter ihrem Buch und las ein und dieselbe Seite immer wieder.
Schließlich schützte sie Kopfschmerzen vor und zog sich in ihr Schlafzimmer zurück, gab noch Order, ihr ein Bad herzurichten. Wäre sie die Hausherrin, dachte sie, dann könnte sie sich das sparen, denn die Räumlichkeiten von Abigail und Christopher verfügten seit Neuestem über ein Bad mit Fließwasser.
Trotzdem war ihr Schlafzimmer ein Ort der Zuflucht für sie. Brennende Kerzen verliehen dem in Hellblau und Cremeweiß gehaltenen
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