Von sündiger Anmut: Roman (German Edition)
erkennen, als er langsam auf sie zukam.
Sie wich zurück. »Hör auf! Na gut. Jetzt erinnere ich mich wieder an deine Hilfe.« Auch wenn sie noch wütend tat, gab sie sich im Grunde bereits geschlagen. Alle Versuche sich einzureden, dass sie ihn nicht wollte, richteten nichts gegen die Erregung aus, die immer stärker von ihr Besitz ergriff.
Sie sah ihn jetzt mit anderen Augen, und ihr Mund wurde ganz trocken, als er dicht vor ihr stehen blieb. Sie musste aufschauen, um ihm ins Gesicht sehen zu können, und fühlte sich plötzlich ganz klein und zart und schutzbedürftig.
»Deine Erinnerung lässt dich bedauerlicherweise gelegentlich im Stich«, sagte er leise.
Er streckte die Hand aus, um ihr eine Locke hinters Ohr zu streichen, und ein Kribbeln breitete sich in ihrem Körper aus.
»Was meinst du damit?«, wollte sie wissen und bemühte sich, ihre Unruhe und ihre Verwirrung zu verbergen.
»Du scheinst den zweiten Grund für unsere Verlobung vergessen zu haben: das Gemälde und deine Furcht vor einem Skandal.«
Sie aber dachte an etwas ganz anderes: an den Abend in der dunklen Kutsche, als sie fast nackt auf der Lederbank gelegen und die auf dem Gemälde festgehaltene Pose eingenommen hatte. Und sie erinnerte sich an das Verlangen und die Bewunderung in seinem Blick, die sie auch jetzt wieder darin erkannte.
Sie wich einen Schritt zurück und stieß gegen das Regal, in dem sie ihre Bücher aufbewahrte. »Was ist mit dem Gemälde?« Sie zwang sich, Verärgerung in ihrem Tonfall mitschwingen zu lassen.
»Heute Abend geht es eher um die Wette«, sagte er und streckte erneut die Hand aus.
Sie erstarrte, während er nach einer kleinen, verzierten Schachtel im Regal griff und sie so hielt, dass sie ihm die Beute nicht wieder entreißen konnte.
»Du willst nicht, dass ich mir das hier ansehe?«, fragte er.
»Schau’s dir an, wenn es sein muss. Die Bänder werden dich bestimmt sehr interessieren.«
Er öffnete die Schachtel, wühlte darin herum und hob die Bänder hoch, um zu sehen, ob sich darunter etwas versteckte.
»Was interessieren dich plötzlich meine Bänder?«, wollte sie wissen. »Und mach lieber schnell, denn die Dienstboten können jeden Moment mit meinem Badewasser kommen.«
Er schloss die Schachtel. »Das, was unter den Bändern liegen könnte, interessiert mich.«
»Ich habe nichts zu verbergen …« Sie stockte, als sie erkannte, dass das schlicht und einfach nicht stimmte.
»Doch, hast du, und zwar eine ganze Menge. Deshalb zurück zum Anfang. Warum glaubtest du überhaupt, dass ich für dich lügen würde? Weil du etwas hast, das ich an mich bringen will, wie du wusstest?«
Sie biss sich auf die Unterlippe, und unwillkürlich richtete sich ihr Blick auf seinen Mund.
Sie sahen einander tief in die Augen, und sie hielt den Atem an, als er die Schachtel wieder ins Regal stellte. Seine Finger strichen über ihre Schulter und glitten zu ihrem Halsansatz.
»Der Diamantanhänger, Elizabeth«, murmelte er.
Sie sah ihn verwirrt an. »Wie bitte?«
»Das Schmuckstück von dem Gemälde. Wenn ich ihn bei dir finde, kann ich beweisen, dass du das Modell warst. Und dann habe ich gewonnen.«
Seine Finger verharrten an ihrem Hals, glitten über das Grübchen am Schlüsselbein und streichelten sie zärtlich. Mit aller Macht kam die Erinnerung daran zurück, wie sein Mund sie dort und auch tiefer berührt hatte.
Sie stemmte sich mit letzter Kraft gegen seine Brust und war erstaunt, als er sie losließ.
Sie holte tief Luft und drehte sich wieder zu ihm um. »Meine Cousinen und ich tauschen gelegentlich unseren Schmuck untereinander aus, so auch dieses Stück. Du wirst den Anhänger bei mir nicht finden. Eine von ihnen hat ihn derzeit.«
»Das sagst du so einfach. Aber wenn du mich jetzt nicht danach suchen lässt, muss ich einfach noch einmal zurückkommen.«
Er wandte sich wieder zum Regal und fing an, hinter jedes einzelne Buch zu schauen. Sie hatte das Gefühl, dass er endgültig in jeden Teil ihres Lebens eindrang.
Als sie seinen Arm packte, zog er sie an sich, sodass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sein Körper war warm und fest, doch bevor Weitergehendes geschah, ertönte ein Klopfen an der Tür.
»Das ist Teresa«, flüsterte sie triumphierend.
»Soll ich mir vielleicht eine Erklärung ausdenken?«
»Geh auf den Balkon und verschwinde!«
Überrascht sah sie, dass er tatsächlich den Raum durchquerte und hinter die Vorhänge vor den Balkontüren schlüpfte. Irgendwie passte das nicht
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