Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
geistige Zustände ausgelöst werden: Die Ursache zu jedem Leid ist – buddhistisch gesehen – immer das Festhalten an der Fehlvorstellung eines beständigen Ichs.
Woher weiß man, dass man sterben wird, und was wird man dabei erfahren?
Wenn Verwandte, die man lange nicht sah, zu Besuch kommen, sich besonders um einen bemühen und wollen, dass man Papiere unterschreibt … oder die Freunde unfroh und die Feinde fröhlich aussehen bzw. der Arzt sofort seine Bezahlung wünscht, wissen die anderen vielleicht mehr vom eigenen Gesundheitszustand als man selbst. Es wäre dann klug, sich auf den möglichen Tod einzustellen.
Ein Zeichen für den nahenden Tod sind starke Charakterveränderungen, auch oft bei Tieren zu beobachten, weil die gewohnten Energieströme sich im Körper verändern. Jemand, der zuvor für seine Freundlichkeit und Großzügigkeit bekannt war, ist plötzlich leicht aus der Ruhe zu bringen, wird zornig und klammert sich an allem fest, während schwierige Menschen auffällig nett werden können.
Die Nachricht vom bevorstehenden Tod lässt selten jemanden unberührt. Meist löst sie zuerst einmal eine ganze Flut von Gefühlen und widerstreitenden Gedanken aus: angefangen vom Nicht-wahrhaben-Wollen, Enttäuschung, Zorn und Neid auf alle, die nicht leiden müssen oder weiterleben können, bis hin zu Einsamkeit, Teilnahmslosigkeit oder dem tiefen Wunsch, noch länger leben zu wollen, da so viel unerledigt scheint.
Insbesondere wenn der Tod mit körperlichem Verfall einhergeht, kann man unterschiedliche Typen von Menschen feststellen. So gibt es welche, die hartnäckig bis zum letzten Atemzug verdrängen, wie es um sie steht. Sie weigern sich einfach, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Andere wiederum sind verstört, ängstlich und völlig verwirrt, weil sie erkennen, dass das Leben zu Ende geht. Eine dritte Gruppe sieht dem Tod gelassen entgegen. Die Gründe sind allerdings sehr unterschiedlich: Manche sind froh darüber, bald von ihrem körperlichen Leid erlöst zu sein, andere haben einfach tiefes Vertrauen, dass alles auch so in Ordnung ist. Diese letzte Einstellung ist die eigentlich sinnvolle, weil sie sowohl einem selbst als auch Verwandten und Freunden den Abschied erleichtert.
Wenn sicher ist, dass keine Maßnahmen das Leben weiter erhalten können, gilt es, den Spieß umzudrehen und aus dem Geschehen bewusst Nutzen zu ziehen.
Am besten gelingt das, indem man Vergänglichkeit nicht mit Verlust und Leid, sondern mit Möglichkeiten und Freiheit verbindet. Statt dem Bedürfnis nach Sicherheit und Beständigkeit nachzugeben, sollte man den Tod als Übergang verstehen und sich stets bewusst sein, wie wichtig dabei der Geisteszustand ist. Nimmt man die Tatsache des Todes bereits zu Lebzeiten an und verdrängt sie nicht, lebt man bewusster im Hier und Jetzt.
Man stirbt am leichtesten, wenn man die Anhaftung an den eigenen Körper, Nahestehende und Besitztümer lösen kann. Dies zu berücksichtigen ist auch für Freunde und Familie hilfreich, denn klammert ein naher Mensch zu sehr, ist das für alle unangenehm. Die Dinge selbst erfahren kein Glück, und die durch sie hervorgebrachten Freuden sind sehr unstet und im Grabe nutzlos. Versteht man das, wird man sie bald als Werkzeuge erfahren, aber nicht an ihnen hängen.
Ein Testament, das während einer klaren, überpersönlichen Stunde zum Dauernutzen aller abgefasst wurde, ist schon zu Lebzeiten eine Erleichterung. Schließlich weiß man nicht, ob der Tod unangekündigt kommt oder einem ausreichend Zeit für Vorbereitungen lässt. Stirbt man plötzlich, ist etwas Schriftliches vorhanden, woran sich die Nachkommen halten können. Je klarer alles geregelt und sofern der Besitz gut verteilt ist, umso weniger streiten sich die Erben. Besser ist natürlich, wenn man noch selbst sein Eigentum mit guten Wünschen weitergeben kann. Den Freunden und Verwandten in dieser Weise zu danken ist bedeutend für sie und eine gute Grundlage für offene Gespräche und einen runden Abschied.
Beim Sterben ist Großzügigkeit eine Befreiung, denn man lässt damit Berge von Gepäck hinter sich. Hat man die Nachwelt bedacht und für seine Nächsten oder die Fortführung seiner Arbeit vorgesorgt, fällt es einem viel leichter, sich von diesem Leben zu trennen. Wünscht man zusätzlich allen so viel Gutes wie möglich, erlebt man mit Erleichterung, dass sie einen nun nicht mehr brauchen werden, und man kann sich auf das Eigentliche – den eigenen Tod –
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