Von Tod und Wiedergeburt (German Edition)
besten helfen?
Hat man wenig meditiert, ist man sicher nicht in der Lage, den Tod so zu nutzen, wie die Beispiele im nachfolgenden Kapitel zeigen werden.
Im tibetischen Buddhismus gibt es jedoch das schon öfter erwähnte »Phowa« oder »Bewusste Sterben«, das man im Sterben für sich selbst und auch für andere anwenden kann. Man nutzt den Augenblick des Todes, wenn der Geist sich vom Körper trennt, um entweder selbst von einem verwirrten Geisteszustand in einen klaren, befreiten zu kommen oder um anderen dabei zu helfen. Sogar unter den Diamantweg-Meditationen, die Buddha seinen nächsten Schülern vermittelte, ist die Übung einmalig in ihrer Schnelligkeit, Anwendbarkeit und Kraft. Wie allgemein bei Buddhas letztendlichen Mitteln stellt sich der Nutzen bei dieser Übung noch zu Lebzeiten ein, da sich beim Schüler schädliche Eindrücke auflösen, sich das Bewusstsein festigt und der Geist klarer wird. Viele Buddhisten sagen deswegen, es gibt ein Leben vor dem Phowa und ein Leben danach, und der zweite Teil ist viel besser!
Viele Leser dieses Buches wissen das schon aus eigener Erfahrung, und andere entwickeln hoffentlich beim Lesen den Wunsch, möglichst bald eine Woche für diese – auch für dieses Leben so wichtige – Meditation zu finden.
Obwohl die Reinen Länder, in die man so nach dem Tode geht – und die schon während des Lebens immer stärker erfahren werden –, noch keine Erleuchtung bedeuten: Man ist unter allen Umständen auf dem Weg zur Befreiung, wird von der erreichten Entwicklungsstufe nicht herunterfallen und kann sich je nach Fähigkeiten und Eigenschaften gesichert weiterentwickeln.
Tibeter stellen sich beim Wort »Phowa« einen Vogel vor, der, unter einem Dach gefangen, eine Luke findet und sich befreit in den Raum schwingt.
Zwischen Leben und Tod kann man mit Hilfe des Phowa je nach Befähigung drei erleuchtete Bewusstseinsebenen erreichen: Phowa in den Wahrheitszustand, Phowa in den Freudenzustand und Phowa in die befreiende Tat, den Ausstrahlungszustand. [37]
Alle in den Diamantweg-Zentren verwendeten Meditationen sind durch ihre Inhalte auch eine Vorbereitung auf den Tod, werden aber vor allem zum Meistern des Lebens eingesetzt. Phowa wird gezielt für den Augenblick des Todes erlernt und dann auch zum entscheidenden Zeitpunkt für sich selbst oder für Freunde und Bekannte in der erlernten Weise angewandt.
Milarepas Worte zum Tod
Diejenigen, die nur mit ihrem Mund praktizieren, reden viel. Es sieht so aus, als wüssten sie viel von der Lehre, aber wenn die Zeit des Sterbens kommt, werden ihre Worte in den Raum geworfen.
Wenn das Klare Licht von sich aus strahlt, wird es verhüllt von der Blindheit der schlechten Karmas.
Die Gelegenheit, den Wahrheitszustand zu erfahren, geht während des Sterbens wegen der eigenen Verwirrung verloren.
Wenn man sogar sein ganzes Leben damit verbringt, die heiligen Schriften zu studieren, hilft das nicht in dem Moment, in dem man Abschied nehmen muss.
Und jene Yogis, die nicht genügend meditiert haben, erfahren fälschlicherweise geistige Lichterscheinungen als heiliges Strahlen.
Sie können nicht das Licht von Mutter und Sohn zusammenbringen und sind immer der Gefahr ausgesetzt, in niederen Bereichen wiedergeboren zu werden.
Wenn dein Körper zu Recht aufgestellt ist, der Geist in Vertiefung verbleibt und du fühlst, dass es keinen Geist mehr gibt, ist das, was bleibt, nur Sammlung.
Wie ein Star, der in den weiten leeren Himmel fliegt, strahlt die Bewusstheit als reine Blume wie ein Licht. Obwohl sie leer, durchscheinend und strahlend ist, ist sie doch nur das Gefühl eines höheren Bewusstseinszustands.
Derjenige mit diesen guten Grundlagen durchschaut die Wahrheit durch Einsicht und betet ernsthaft zu den Drei Juwelen.
Er wird die Nicht-Ich-Weisheit gewinnen.
Mit dem Leben, angeseilt durch tiefe Eindeutigkeit, mit der Kraft der Güte und des Mitgefühls, mit dem altruistischen Versprechen der Bodhisattva-Einstellung kann er direkt die klare Sicht bekommen, die Wahrheit des Großen Erleuchteten Weges.
Nichts kann gesehen werden, trotzdem wird alles gesehen.
Er sieht, wie falsch die Befürchtungen und Hoffnungen waren, alle waren in seinem Geist, trotzdem war nichts.
Er erreicht das Reine Land ohne Ankunft, er kennt den Wahrheitszustand, ohne etwas zu sehen.
Ohne Anstrengung weiß er auf natürliche Weise alles.
Lieber Sohn, halte all meine Aussagen im Geist!
Abb. 28 Milarepa (1040–1123)
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Phowa in den
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